Drei Bände der neuen Buchreihe zu den 19 Klassenstunden sind 2025 bereits erschienen. Ihnen werden lose weitere folgen. Hier das Vorwort und das Anliegen dieser sogenannten ‹Roten Reihe›.
Unter dem Reihentitel ‹Der Lehrgang der 19 Klassenstunden. Studienbeiträge zu den Grundlagen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft› erscheinen Arbeiten, die aus dem Umgang mit den Stunden der ‹Ersten Klasse› entstanden sind, einem Schulungsweg, den Rudolf Steiner für die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft und ihre Fachbereiche (Sektionen) entwickelte. Die Buchreihe wird von der Leitung der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion am Goetheanum herausgegeben; die inhaltliche Verantwortung für die einzelnen Beiträge liegt bei den jeweiligen Autoren.

Auf der Weihnachtstagung der Anthroposophischen Gesellschaft 1923/24 stellte Rudolf Steiner am 28. Dezember 1923 den Paragraf 8 der neuen Gesellschaftsstatuten vor, in dem vor der künftigen Veröffentlichung der «Publikationen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft» die Rede war, mit dem Vermerk: «als Manuskript für die Angehörigen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Goetheanum» gedruckt. Der «Geist der Zeit», so betonte Rudolf Steiner, vertrage nicht das «äußere Geheimnis», wohl aber das «innere Geheimnis». Die Vortragskurse Steiners, auch die bereits gedruckten, sollten mit diesem Zusatz versehen und nunmehr publiziert werden; sie sollten ‹öffentlich› werden, beim Philosophisch-Anthroposophischen Verlag in Dornach erscheinen und über den Buchhandel zu beziehen sein. Auf die Frage, ob jemand die Lektüre der Kurse auch angeraten werden könne, der noch gar kein Mitglied der Hochschule und ihrer beabsichtigten drei Klassen sei, sagte Rudolf Steiner, dass dazu «keine Direktiven im Allgemeinen» gegeben werden könnten.
Die Weitergabe oder gar der Erwerb von Rudolf Steiners Fachkursen vor einzelnen Berufsgruppen – wie seine medizinischen oder landwirtschaftlichen Vorträge – lag nach der Weihnachtstagung in der Verantwortung der Sektionsleitenden der Hochschule; diese Kurse wurden nur «unter Klauseln» gegeben, vor einem spezifischen Zuhörerkreis mit entsprechenden fachlichen Voraussetzungen. Von daher mussten individuelle Weitergabe-Entscheidungen getroffen werden – und die Fachkurse waren bis auf Weiteres nicht im Buchhandel. Die esoterischen Klassenstunden, deren Stenogramme ebenfalls vorlagen, wurden zu Rudolf Steiners Lebzeiten und in den nachfolgenden Jahrzehnten dagegen überhaupt nicht gedruckt. Er war mit der stenografischen Mitschrift der Stunden und deren maschinenschriftlicher Übertragung durch Helene Finckh einverstanden gewesen, wollte jedoch keine Textverbreitung, sondern ein meditatives Leben mit dem gehörten und innerhalb der Schule weitergegebenen mantrischen Spruchgut. «Er wollte […] eine Art selbständiger Arbeit an den Sprüchen, natürlich auf Grund des erhaltenen Weisheitsgutes. Aber vor allem das Erleben der Sprüche selbst.» (Marie Steiner-von Sivers)

Der erste ‹private Manuskriptdruck› der Klassenstunden auf Basis des wortwörtlichen Stenogramms von Helene Finckh entstand erst ein halbes Jahrhundert nach Steiners Tod, 1977, mit nummerierten Exemplaren und dem Vermerk ‹Eigentum der Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung. Dieses Exemplar wird nur persönlich abgegeben, und es ist bei Eintreten der Verfügungsunfähigkeit oder nach dem Tode des Empfängers zurückzugeben an die Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung, CH-4143 Dornach.› 1992 erschien dann jedoch eine Edition innerhalb der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe (GA) im Buchhandel mit ‹Vorbemerkungen zur Veröffentlichung der Inhalte der Ersten Klasse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft›, die von Mitgliedern der Rudolf-Steiner-Nachlassverwaltung und Vorstandsmitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft unterschrieben wurde. Die Stellungnahme beider Gremien hob hervor, dass die Mantren der Klassenstunden bereits 1925 außerhalb der Schule bekannt geworden seien und Albert Steffen angesichts dieser Tatsache bereits damals für die Veröffentlichung der Texte eingetreten sei. Kurz vor Ablauf des autorenrechtlichen Schutzes von Steiners Texten wurde vor diesem Hintergrund die Entscheidung für eine komplette Edition der Stunden in vier großformatigen Bänden getroffen, unter Einschluss der Wandtafelzeichnungen und der Vorstufen der Mantren, nachdem der Vorgang der Textverbreitung jenseits der Schule, mit zum Teil falschen Wortlauten, an Verbreitung gewonnen hatte. 1999 und 2008 erschienen dann weitere, überarbeitete und ergänzte Auflagen im Buchhandel (GA 270). Damit waren die textlichen Grundlagen der Klassenstunden öffentlich geworden.
Innerhalb der Schule bestand und besteht weiter die Verabredung, das mantrische Gut in erster Linie in der gesprochenen und gehörten Form zu bewegen und im Wesentlichen meditativ zu handhaben. Auf der anderen Seite wuchs die Einsicht in die Notwendigkeit, die Klassenstunden in ihrer Gesamtkomposition und -intention, in ihrem Aufbau, ihrem mantrischen Gehalt und ihrem Bezug zu den fachlichen Aufgaben in den verschiedenen Sektionen tiefer zu verstehen und die gewonnenen Einsichten auch zu kommunizieren, darunter in schriftlicher Form. Die Hochschule, ihre Leitung und viele ihrer Mitglieder erleben die Verpflichtung, entsprechende Studienbemühungen anzustellen und damit als Hochschule voranzugehen. Diese Verpflichtung erwächst nicht zuletzt aus der Notwendigkeit der Arbeit in den verschiedenen Feldern des Lebens, auf Grundlage der spirituellen Schulung.

Die Leitung der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion am Goetheanum gründete daraufhin einen international ausgerichteten Rundbrief, in dem Hochschulmitglieder von ihren Studien berichten und andere an ihnen teilnehmen lassen. Zum 100. Todestag Rudolf Steiners entschlossen wir uns in der Sektion dann nach Rücksprache mit den Autoren und Autorinnen, einzelne Aufsätze aus dem Rundbrief auch in Buchform für die Mitglieder und Freunde der Freien Hochschule der Geisteswissenschaft zur Verfügung zu stellen – und mit diesem ersten Auswahlband aus dem Rundbrief zugleich eine Buchreihe im Verlag am Goetheanum mit dem Titel ‹Der Lehrgang der 19 Klassenstunden. Studienbeiträge zu den Grundlagen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft› zu beginnen, in der in unregelmäßiger Reihenfolge weitere Studien zu den Klassenstunden erscheinen werden, die Ausdruck einer individuellen Rezeptionsarbeit sind und interessierten Menschen, ohne «Direktiven im Allgemeinen», zugänglich gemacht werden.
Literatur
- Uli Molsen: Die Rhythmen der Mantren in den Klassenstunden. 98 Seiten, gebunden, Verlag am Goetheanum, Dornach 2025
- Constanza Kaliks, Peter Selg (Hrsg.): Die 19 Klassenstunden. Studien zu Intention, Komposition, Mantren. 248 Seiten, gebunden, m. farb. Abb. Verlag am Goetheanum, Dornach 2025
- Matthias Girke: Die drei Tafeln in der Michaelschule. 116 Seiten, gebunden, m. Abb. Verlag am Goetheanum, Dornach 2025








