Die allertiefste Öffnung

Eine Frau sagt ja und lässt das
Fremde, Keimende hinein,
sie lässt sich sprengen aus der
alten Form, die neue
kennt sie nicht, sie wohnt
im Harren, nichts ist
Wissen, nichts ist Sein, sie
wartet, wie im Frühling
Knospen an den kahlen
Ästen zittern bis zur Öffnung
– Alle sind sie in der Hoffnung.

Dann der neue Keim auf
Erdengründen, eingeladen
in das Reich der Sünde, steigt er
weinend, nackt und blind
hernieder, Leid erlebt er von der
ersten Stunde, Leid erlebt er
schutzlos immer wieder: Will er
dennoch seine neuen
Augen öffnen und sein Schicksal
wagen, will er – dann ist diese Öffnung
aus der Hoffnung.

Kind und Mutter: Keime für das
Neue, Teil der Schöpfung, die sich
stets entfaltet, leidend,
liebend, frei auf Erdenwegen,
geben sie sich hin zum Glück,
zur Sünde, inniglich
verbunden durch die
Stunde, als sie beide zitterten und
harrten, bis der Riss, die
allertiefste Öffnung
kam – und war Geburt der Hoffnung.


Illustration Gilda Bartel

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