Anthroposophie als Prozess

Horst, Deutschland. 2025 ist das 100. Todesjahr von Rudolf Steiner. Wie lebt er in einzelnen Menschen weiter? Martyn Rawson, Autor, Lehrer und Dozent für Waldorfpädagogik, gibt seine Antworten.


Woran wird in deinem Umfeld erkennbar, dass du dich für Rudolf Steiner interessierst?

Manche sehen mich als Bedrohung für die Anthroposophie, insbesondere für ihren Status als Grundlage der Waldorfpädagogik. Das ist schade, aber ich glaube an einen offenen Dialog. Wenn man Steiner als Guru und seine GA als Offenbarung der Wahrheit behandelt, verliert man seine Freiheit – und meines Erachtens war diese Steiners Hauptanliegen. Die, die mich kennen, wissen, dass ich mich mein Leben lang der Waldorfpädagogik gewidmet habe, und viele vertrauen meinen Aussagen zur anthroposophischen Grundlage der Waldorfpädagogik.

In welcher menschlichen Begegnung kam dir Rudolf Steiner nah?

Meine erste Mentorin als junger Waldorflehrer war Edith Bierman. Als junges Mädchen trat sie auf der Bühne des Ersten Goetheanum auf. Sie nahm 1923 am Ilkley-Kurs teil und an der Sommerschule in Penmaenmawr. Ich kannte also eine Frau persönlich, die Zeit mit Steiner verbracht hat. Edith vermittelte mir ein Bild von ihm als öffentlicher und privater Person, ohne dabei sentimental zu sein. Steiner gab ihr ein starkes Gefühl für Sinn, und das hat sie auch in mir inspiriert.

Für welche Lebensfragen ist dir Anthroposophie besonders wichtig?

Einige Aspekte von Steiners Werk haben mich schon immer inspiriert und interessiert, allen voran natürlich die Pädagogik, und auch die soziale Dreigliederung sowie seine Erkenntnistheorie.

Welchen Gedanken würdest du der Anthroposophie gern hinzufügen?

Ich versuche, mein Verständnis der Anthroposophie in eigenen Worten auszudrücken und diese für einen zeitgenössischen Kontext zugänglich zu machen. Ich sehe die Anthroposophie als einen Prozess, als etwas, das man tun muss, als einen Weg, um ein Verständnis für die spirituelle Dimension des Lebens zu entwickeln, und nicht als etwas, das bereits existiert.


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Kontakt martyn.rawson@alanus.edu

Bild Martyn Rawson, Foto: Ulrike Sievers

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