Die Hoffnung ist meine auf mich zukommende imaginäre Zukunft. Wenn ich ihre Anwesenheit bemerke, wird mir auch klar, dass ich sie eingeladen habe, und dass ich verantwortlich bin, ihr Gestalt zu geben. Der Weg, den sie auf mich zu nimmt, ist jedoch ein Geheimnis. Manchmal wird sie von einem Engel begleitet, oder von den Ahnen, oder von einer Schar anderer, die die Zukunft der Zukunft bewohnen. Manchmal kommt sie mit überraschender Geschwindigkeit von ihrer Reise an, manchmal tief erschöpft, manchmal besiegt, immer jedoch aufsässig kühn. Zu meinem Erstaunen hat die Hoffnung keine Bedenken, von vorn zu beginnen. Das ist ihre schöpferische Essenz. Die Hoffnung erweckt die Fähigkeit, die Zukunft in die Realität zu spielen, zu schreiben und zu singen. Das ist meine Hoffnung. Was ist mit Ihrer?
Ich weiß, es gibt jene, die leiden, weil ihnen Hoffnung fehlt. Ohne Hoffnung scheint sogar die Gegenwart sinnlos. Ich frage mich, welche ‹böse Macht› das Wesen der Hoffnung so schmälern kann? Wenn jemand sagt, er hat keine Hoffnung, wird mir bewusst, dass mir nie gesagt wurde, dass ich nicht hoffen kann. Welch ein Privileg! Für jetzt jedoch lege ich meine Hoffnung beiseite, damit ich präsent bin für ihre Abwesenheit in anderen, so wie die Hoffnung geduldig das Erkennen dessen erwartet, was sie ermöglicht. Einmal geweckt, kann sie ein Ruf durch starke Verzweiflung hindurch sein.
Das Geniale an der Hoffnung ist ihre Fülle und Fähigkeit, sich selbst zu erneuern, manchmal mit nur einem Atemzug. Wie auch ihre Begleiter, Glaube und Liebe, strahlt ihr Wesen ein warmes, anziehendes Feld aus und bestärkt zugleich unsere sozialen Bindungen.
Geheimnisvollerweise kann die Hoffnung als Meditation dienen. Sie kann auch ein Gebet sein, das ich im Dienst der Hoffnungen anderer darbringe. Während ich dies schreibe, landen die entstehenden Bilder in Worten, von denen ich hoffe, dass sie meiner Erfahrung wahrhaftig entsprechen. Diese Hoffnung wird von einer zweiten begleitet: Ich hoffe, dass die Sprache eine Brücke ist, die uns verbindet und beim Überqueren zu einer Spende für die geistige Welt wird. Für jene, die die Schwelle überschritten haben, inspirieren unsere Hoffnungen ihre Zukunft. Die Tat der Hoffnung, das Hoffen, hat, wie jede Handlung, die wir in der Welt vollziehen, lange Auswirkungen über Zeit, Raum und sogar Inkarnationen hinweg. Hoffnung formt so die Welt, ist Teil ihres Ethos und ihrer Bestimmung. Sie wird dann, verwandelt als Geschenk, ein Teil der Gestaltung unserer Zukunft. Dieses Geschenk ist eine grundlegende und generative Energie, die Quelle des Willens und elementar für das Wohlbefinden. Ich nehme die Hoffnung nicht auf die leichte Schulter, und doch wird sie leicht.
Illustration Gilda Bartel