Willkommen. Wir sind über eine Schwelle getreten. Hier ist ein Ort der Ruhe, der Stille, des Seins. Das Herz schlägt gleichmäßig in seinem ureigenen Rhythmus. Blut strömt in die eine und die andere Richtung. Der Atem kommt und geht und webt eine Verbindung zwischen Außen- und Innenwelt. Die Lungenflügel umarmen das Herz in seinem Tun, bewacht vom Brustbein. Die knöcherne Beckenschale lauscht den Bewegungen und Tönen unserer Bauchorgane. Die Zellmembranen sind Meisterinnen der durchlässigen Kommunikation, und das Nervensystem gibt auf uns Acht, ohne dass wir es je darum gebeten haben. Unser Stoffwechsel verdaut Erfahrungen und formt sie um in einen Kompost aus Lebendigkeit. Jede einzelne Zelle ist ihrer ganz eigenen Bestimmung gewidmet. Alles hier ist radikal für uns. Überall strömt Leben, bahnt sich seinen Weg, findet Umwege, ist nicht aufzuhalten. Unser Sein endet nicht an der Grenze unserer Haut, es pulsiert weit darüber hinaus und ist in ständigem Gespräch mit allem um uns herum. Die Gewebe beziehen sich auf die Schwerkraft der Erde, unser Mikrobiom teilen wir mit allem, was wir anfassen, und der Atem synchronisiert sich mit dem Atem der Menschen, die uns umgeben. Alles, was wir berühren, Holz, Felsen, Baumrinde, die Haut eines anderen Menschen, all das berührt zugleich auch uns. Wie viel unserer Präsenz können wir diesem großen Zusammenklang gerade schenken? Wie können wir in gegenseitiger Bezogenheit einander lauschen? Wo können wir jetzt oder gleich noch ein winziges Stück mehr aus dem Weg treten? Und können wir etwas von uns ebenso großzügig hinschenken in dem Vertrauen, dass es auf diese Weise nicht weniger wird, sondern mehr? Mit jedem Bruch entsteht mehr Weite. Dunkelheiten steigen auf, verändern ihre Form in unserem Gewahrsein und entladen sich wieder als kollektive Medizin in den Körper der Erde. Und so verabschieden wir uns wieder von unserem Ort und treten über die Schwelle. Wissend, dass unsere Zellen wissen.
Illustration Gilda Bartel