Wochenlang herrschte in der Dreizimmerwohnung von Irma Hammel an der Kastelstraße der Ausnahmezustand. Wie jedes Jahr sollte sie für die Clique ‹Alti Richtig› die Fasnachtskostüme nähen, ein alljährlich willkommener Zustupf für die Witwe und gelernte Schneiderin. Doch im Jahr 1978 war alles anders.
Die unbekannte Damenschneiderin nähte nach Vorgabe des berühmten Künstlers Joseph Beuys Filzanzüge. Der Sozialkünstler hatte die Chance erkannt, ein großes Werk, das er schon Jahre zuvor konzipiert hatte, auf der Basler Fasnacht zu realisieren: ‹Feuerstätte II›. Ein Jahr zuvor hatte das Kunstmuseum Basel, trotz heftiger Proteste im Großen Rat und in der Bürgerschaft, das umstrittene Werk ‹The Hearth› (Feuerstätte) von Joseph Beuys erworben; Kostenpunkt etwa 300 000 Franken. Es handelt sich um eine Raumplastik aus verschiedenen Elementen (siehe im Heft: Dieter Koepplin, Eine Feuerstätte im Kunstmuseum). Die Fasnachtsclique ‹Alti Richtig› sah sich durch die Empörung der Basler Bürgerinnen und Bürger dazu veranlasst, mit Beuys Kontakt aufzunehmen. Man brachte ihn dazu, zum ironischen Motto ‹Feuerstätte II› Kostüme, Larven (Masken) und Requisiten zu entwerfen. Die grauen Filzanzüge wurden in Basel angefertigt und ebenso die Eisen- und Kupferstäbe. Die vergoldeten Larven bildeten Kamel-, Kuh- und Eselsköpfe ab. Die Clique führte auf dem Umzug noch den Esel Novi, vor einen zweirädrigen Karren gespannt, mit sich, um die ‹Eselei› des Kunstankaufs zu bekräftigen. Beuys nahm am Umzug teil und erntete Spott und Hohngelächter. Am dritten Tag zog die ‹Alti Richtig› nachmittags zum Innenhof des Kunstmuseums und nach einer launigen Ansprache des Obmanns warf dieser seinen Filzanzug auf den Boden (er trug darunter einen zweiten) und die Clique ihre metallenen Requisiten.
Beuys fügte die Elemente, nachdem sie zuerst im Depot gelagert waren, mit ‹The Hearth› zu einer umfassenden Raumplastik zusammen, die seit 1981 nicht nur fester Bestandteil der Dauerausstellung im Museum für Gegenwartskunst ist, sondern zweifellos zu den absoluten Höhepunkten der Sammlung zählt. Heute gehören die beiden Arbeiten zusammen, als wäre es nie anders gewesen. Geistesgegenwärtig hatte er, als es sich fügen wollte, die Gelegenheit dieser Konstellation genutzt, ganz im Sinne dessen, was er im großen ‹Spiegel›-Interview zwei Jahre vor seinem Tod erklärte: «Ich bin der Narr, der Idiot mit dem Filzhut. Sie stoßen mich in die oder jene Ecke. Ich stelle mich da ganz einfach zur Verfügung.»1 Damit war Beuys 1978 in Basel fraglos Großes gelungen.