Ein praktisches Buch über den Dialog und unsere Fähigkeiten, uns auszudrücken und zuzuhören. Es zeigt Nutzen und Notwendigkeit, sensibler für die soziale Praxis des Miteinander-Sprechens zu werden.
Der Titel des im Frühjahr dieses Jahres erschienenen Buches von Berenike Stolzenburg und Albert Vinzens lockt mit Leichtigkeit. ‹Von Tulpen, Giraffenherzen und dem Dialog› klingt nach spielerischem Umgang mit Worten, mit Sprechen, mit Ich und Wir. Aber schon beim Aufschlagen der ersten Seiten verflüchtigt sich die eventuell erwartete Genüsslichkeit. Es geht hier nicht um Poesie, und auch nicht um Behaglichkeit von Idealen, die sich gut träumen lassen. Mit diesem Buch ist ein ernsthafter Versuch gemacht, unsere Art zu kommunizieren neu zu denken, aber vor allem neu zu greifen. Allerdings ohne den dramatischen Druck, sondern dann doch in freilassender Leichtigkeit, die sich so bereits als Bestandteil von Dialog zeigt. Die Ernsthaftigkeit liegt in meinem eigenen Bemühen um Verständigung. Das Buch ist also eine ‹Selbstanpackhilfe›, aber nicht im klassischen Ratgebersinn, auch wenn Nuancen davon enthalten sind. Die Absicht ist von Beginn an klar formuliert: die Möglichkeiten und dazu nötigen Haltungen und Handgriffe zu erkunden. «Wenn man in der Autonomie bleibt und das Gegenüber absolut in seiner Autonomie lässt, kann eine menschliche Begegnung etwas werden, wo man tief in einen Rätselgrund hineinschaut», heißt es beispielsweise.
Das Buch ist interessant konzipiert. Es mischt aus Erzähl-, Gedicht-, Gesprächs- und Analyseformen ein Konglomerat unseres menschlichen Mitteilens. Dieser Ansatz schafft ein Erlebnis der Vielschichtigkeit von Kommunikation.
In den fünf Kapiteln ‹Zuhören›, ‹Respekt›, ‹Suspendieren›, ‹Artikulieren› und ‹Partizipieren› tauchen also Gesprächssequenzen zwischen Autorin und Autor auf, aber auch Gedichte, Episoden eigenen Erlebens, Zusammenfassungen von Theorien und immer wieder David Bohm. Der 1992 verstorbene amerikanische Physiker und Philosoph hat eine Dialogmethode zu entwickeln begonnen, die in dem Buch immer wieder ins Gespräch gebracht wird. Vor allem der Begriff ‹entschleunigter Dialog› spielt eine zentrale Rolle. Gute Beispiele, durchaus auch aus eigenem Unvermögen bereitgestellt, zeigen manchmal erschreckend deutlich, wie sehr ein gegenseitiges Verständnis wirklich davon abhängt, nicht über den anderen hinwegzufegen. Langsamkeit und Achtsamkeit werden zum Schlüssel. Und am Ende eines jeden Kapitels bieten die Schreibenden reichhaltiges Übmaterial. Diese Übungen sind erstaunlich weit gefasst. Zum Beispiel könne man sein Zuhören schulen, indem man an einer Ampel wartend auf den Klangteppich ringsum lauscht, ohne zu filtern oder zu werten. Beim Kapitel Respekt bekommt man es hautnah auch mit sich zu tun: «Beobachte, wie du mit dir umgehst, wenn du etwas nicht ganz so hinbekommst, wie du es dir vorgenommen hast. Wie fühlt sich das an? Spüre nach, wie es mit deiner Wertschätzung dir selber gegenüber steht.»

Dialogisches Denken, auch intersubjektives Denken genannt, ist auf die Verwirklichung durch den Menschen angewiesen. Es bietet große Möglichkeiten. Um diese zu realisieren, müssen wir bereit sein, unsere Annahmen zu hinterfragen. «Jetzt erst wird deutlich, dass das Problem in der Kommunikation nicht darin liegt, dass man mit einem inneren Anliegen etwas vorbringt. Vielmehr liegt es darin, wie es vorgebracht wird und insbesondere, was einen antreibt, es vorzubringen.» Um dem näherzukommen, werden im Buch verschiedenste Ansätze und Verfahren zu Kommunikation vorgestellt, wie zum Beispiel von Martin Buber, Claus Otto Scharmer, Richard Sennett, Marshall Rosenberg. Es tauchen auch Menschen aus der Psychologie oder der Literatur auf. Sie helfen den Lesenden, sensibler wahrzunehmen in jenen Dingen, die unser Kommunizieren meist unbewusst beeinflussen. Die Typen des Charakterstrukturmodells von Christiane Geiser und Ernst Juchli beispielsweise oder Peter Handkes lebenslanges Suchen und immer wieder Versuchen so zu artikulieren, dass etwas offen bleibt. Man merkt recht schnell, dass das Autorenteam weiß, wovon es spricht.
Es ist ein liebevolles Buch, nicht zuletzt, weil Albert Vinzens und Berenike Stolzenburg sich nicht vorenthalten. Aber auch, weil es mir nicht sagen will, wie ich was zu machen habe, um in einem ‹echten› Dialog zu sein. Es bietet fünf Schlüssel und das Verstehen von deren Wirkweise. Es ist auch ein gutes Buch, weil es fundiert und herzlich einlädt, sich selbst zu erkunden. Und weil es um die Wirkmacht des Sprechens und der Sprache selbst weiß. Damit verlassen die beiden den rein ‹fachwissenschaftlichen› Raum und weiten den Lesenden den Dialog als ein künstlerisches Feld. Es ist ein Buch für alle, die über sich und unser Menschsein als Sprechende etwas lernen möchten. Und darin ist es ganz praktisch. Denn sofort kann in der Praxis geübt werden.
Buch Berenike Stolzenburg, Albert Vinzens Von Tulpen, Giraffenherzen und dem Dialog, Die fünf Grundhaltungen einer neuen Gesprächskultur. Futurum-Verlag, Basel 2025








