Die Erde fühlen

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Eduardo Rincón und Monique Macfarlane lasen drei Monate zusammen die Michaelbriefe als Vorbereitung für die landwirtschaftliche Tagung. Sie suchen nach neuen Wegen, mit ihnen die Herzen zu beleben, und teilten ihre Erfahrungen auf der Konferenz. Es war der erste von drei Dialogen, inspiriert durch ‹Michaels Aufgabe in der Sphäre Ahrimans›.


Monique Macfarlane Mein Herz, meine Hände und meine Füße sind in Aotearoa-Neuseeland. Ich lebe am Rande des Südpazifiks, wo die Pōhutukawa [Bäume] mit den Walen sprechen, die Winde aus Südwest wehen und die Geister mich nach Hause führen. Ich praktiziere biologisch-dynamische Landwirtschaft, die mir dieses wunderbare Leben mit dem Land und diese unglaubliche Beziehung zu mir selbst ermöglicht hat. Ich bin an verschiedenen Orten in Neuseeland gewesen und habe mit unserem Verband zusammengearbeitet. Derzeit bewirtschafte ich zusammen mit meinen Eltern sieben Hektar. Ich lade Menschen durch Workshops und Beratungen auf das Land ein, was mir die größte Freude bereitet. Denn so kann ich Menschen durch eine Verbindung zur Natur wieder mit dem Land und letztlich mit sich selbst verbinden. Und Sie?

Eduardo Rincón Ich wurde in Mexiko geboren. Als ich jung war, hatten wir eine Rinderfarm. Ich habe dann Biologie studiert und im Tropenwald und später in der Wüste gearbeitet. Ich habe mich sehr für die Biodynamik engagiert, war Präsident der Vereinigung in Mexiko und habe mich an vielen Initiativen beteiligt. Jetzt bin ich Co-Leiter der Sektion für Landwirtschaft und möchte das, was wir in Amerika haben, nach Europa bringen – die Wärme, das Lebensgefühl. Und das ist, was wir heute versuchen werden: verschiedene Perspektiven einzubringen. Wir haben im Publikum profunde, erfahrene Anthroposophen und Anthroposophinnen, aber auch Menschen, die noch jung in der Anthroposophie sind, jung in der Landwirtschaft. Wir wollen alle einladen, als Arbeitsgemeinschaft zusammen zu sein. Wie lebt also dieser Michaelbrief in uns, in unseren verschiedenen Teilen der Welt? Wie atmet er zwischen uns?

MM In Neuseeland folgen wir hauptsächlich dem gregorianischen Kalender. Weihnachten ist also diese wirklich interessante Zeit: Es ist Hochsommer, die Zucchini beginnen zu blühen, die Tomaten erröten in der Sonne, und das Licht ist am stärksten. Dann ist da dieser eine Tag, der dazwischen liegt, der uns anhält, uns eine Auszeit zu nehmen und sie mit Familie und Freunden zu verbringen. Doch ruft der Garten nach mir und das Land braucht meine Streicheleinheiten. Erst im letzten Jahr, als ich den ‹Christus der Anthroposophie› und das Konzept des Menschen als Sonne für die Erde kennenlernte, verstand ich, warum die Geburt erst Tage nach der tiefsten Dunkelheit kommt. Ostern ist auch deshalb so faszinierend, weil es dieses ganze Marketing mit den kleinen Häschen und dem neuen Wachstum gibt, während ich gerade vier Tonnen Kürbisse einfahre und mich darauf vorbereite, sie für den Winter einzulagern. Ich empfinde diese unglaubliche Unverbundenheit der Moderne, fast so, als ob ich nach Luft schnappen würde. Aber in Neuseeland hatten wir vor Kurzem diese wunderbare Gelegenheit, das Neujahrsfest in den Juni und Juli zu verlegen, und wir haben begonnen, Matariki zu feiern, das Fest, wenn die Sterne eintreffen. Das ist unser natürliches Neujahr. Es ist wie ein Ausatmen, bei dem ich im Einklang mit der Erde leben kann, die mich umgibt.

ER Ich bin auf einer Ranch aufgewachsen und bin durch Mexiko gereist, um die ganze Vielfalt zu sehen, die wir dort zum Glück haben. Ich verliebte mich total in die Natur und sagte mir, dass ich das Leben studieren muss. Also ging ich in die Wissenschaft und sah mich mit etwas konfrontiert, das nichts mit dem Leben zu tun hatte. Natürlich wurde ich vom Intellekt verführt. Ich wollte unbedingt wissen, warum Kohlendioxid und Wasser plus Sonnenlicht Zucker und Sauerstoff ergeben. Wie kommt das zustande? Es war sehr schön, aber am Ende fühlte ich mich völlig einsam. Ich dachte: Ist es möglich, die Ganzheit der Natur durch tote abstrakte Gedanken wirklich zu verstehen? Unsere Vorfahren erkannten die Sonne als Schlüsselelement des Kosmos, und viele indigene Völker in Mexiko stützen ihre gesamte Mythologie auf die Sonne. Als ich also auf die Formel für die Fotosynthese zurückkam, dachte ich: In dieser Formel steckt das Sonnenlicht. Wenn wir uns das auf anthroposophische Weise vorstellen, dann macht es Sinn, dass dieses spirituelle Licht in die Welt kommt und die Materie umwandelt. Ich begann, meinen Frieden mit der Wissenschaft zu machen. Ich hatte die Gelegenheit, auf die Halbinsel Yucatan zu reisen, wo die Maya-Kultur noch lebendig ist. Ich habe mit einem Archäologen studiert und mich mit den Rhythmen des Kosmos und der Astronomie aus der Sicht der Maya beschäftigt. Ich vertiefte mich wirklich in dieses Bewusstsein der Jahreszyklen und wie weit wir heute davon entfernt sind, bis ich die Anthroposophie fand, die diese Welten überbrückte. Es war schön für mich zu begreifen, wie unsere Vorfahren den Geist verstanden und gelebt haben, und jetzt, wo wir uns losgelöst haben, haben wir einen Weg, eine Möglichkeit, tiefer in die geistige Welt zurückzukehren, mit unserem ganzen Wesen.

MM Biodynamik hat mir den Weg in die Arbeit, zum Sprechen mit der Natur eröffnet, und dadurch habe ich eine weitere Ebene dessen verstanden, was ein lebendiger Gedanke ist. Wir alle haben die Fähigkeit, mit der Natur zu kommunizieren, aber oft brauchen einige von uns ein wenig Übung, um wieder dazuzukommen. Wenn ich jetzt auf dem Hof und im Garten bin, spüre ich eine andere Qualität in mir, die ich einem lebendigen Gedanken zuschreibe. Früher bin ich mit einer ellenlangen Liste von Aufgaben in den Garten gegangen. Jetzt gehe ich mit nur zwei oder drei Dingen hinein, weil in mir Impulse auftauchen, die auf eine ganz andere Art und Weise funktionieren, als ich es früher getan habe. Es ist ein intuitives Gefühl, wenn etwas in meinem Körper auftaucht und ich diesen lebendigen Gedanken spüren kann, im Gegensatz zu etwas, das aus meinem Verstand kommt. Wenn ich mich in diesen Herzraum fallen lasse, finde ich solche Nahrung, nicht nur für mich selbst, sondern für alle Wesen um mich herum.

ER Vielerorts gibt es die Sehnsucht, die Dinge wieder so zu handhaben wie früher. Wenn wir an Orten unterrichten, an denen es starke indigene Gemeinschaften gibt, ist das manchmal die Bitte. Warum kehren wir nicht zu der Landwirtschaft zurück, mit der unsere Vorfahren gearbeitet haben? Aber die Welt ist nicht mehr dieselbe. Sie hat sich verändert, unser Bewusstsein hat sich verändert. Welche Instrumente stehen uns zur Verfügung, um uns mit dieser alten Art, die Dinge zu tun, zu verbinden und sie in die Gegenwart und in die Zukunft zu bringen? Es gibt Aspekte in unserer anthroposophischen Arbeit, zum Beispiel die Feste, die uns mit dem verbinden, was unsere Vorfahren getan haben. Wir bringen es in die Gegenwart und bewegen es in die Zukunft, indem wir verstehen: Was ist ein Osterfest? Was ist ein Winterfest? Wir haben auch den Seelenkalender: Wie fühlt sich meine Seele im Winter, im Frühling oder im Sommer? Wir haben diese erstaunlichen, tiefgründigen, schönen Verse, um uns auf die Natur und den Lauf des Jahres einzustimmen.

MM Es gibt bei uns ein schönes kulturelles Sprichwort: «Ich gehe rückwärts in die Zukunft, mit den Augen auf die Vergangenheit gerichtet.» Um gut in unsere gemeinsame Zukunft zu navigieren, müssen wir unsere Vergangenheit klar verstehen. Ich denke, das ist das Schöne am Michaelbrief, denn er beleuchtet, was diese Vergangenheit ist und wohin wir gehen.

ER Was heute im Leben geschieht, ist so überwältigend. Es ist wirklich ein Höhepunkt des Tages, wenn man Inspiration findet in den Michaelbriefen, um vorwärtszugehen. Man trinkt wirklich von dem spirituellen Verständnis dieser Briefe und füllt seinen ganzen Körper mit dieser Kraft, die einem hilft, zu verstehen und einen Weg in die Zukunft zu finden. Unsere Gedanken durch die Arbeit in diesen Briefen vom Rationalen zum Bewussten zu bringen, ist für mich sehr bedeutsam.

MM Bei der gemeinsamen Arbeit an diesem Brief in den letzten Monaten gab es diesen wirklich schönen Prozess des Austauschs, der ihn zum Leben erweckt hat. Ich finde es toll, wie wir den Brief lesen, dann unserer Arbeit nachgehen und dann zurückkommen. Ich ging los und las verschiedene Vorträge und versuchte zu verstehen. Und jedes Mal, wenn ich den Brief ein paar Wochen später wieder lese, sehe ich ihn ganz anders.

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