Wirkungslos

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Die Tage sind turbulent. Meine Gedanken ruhe- und rastlos. Aufgebracht und Raubvögeln ähnelnd, drehen sie unablässig ihre Kreise um das Wort ‹wirkungslos›. Manchmal stürzen sie sich darauf, um dann doch wieder abzulassen von ihrem Stückwerk. ‹Selbstlos›, ‹absichtslos›, ‹wirkungslos› – ein Dreiklang? Ein Entwicklungsvorgang? Was – das hatte ich versäumt zu fragen – ist wirklich gemeint? Worauf bezöge sich die Wirkungslosigkeit? Auf die Person? Auf ihren Akt? Sprachen wir nicht vom Ich? Bin ich es, die – unfähig zur Selbstlosigkeit, kaum je in der Lage, einer Absicht zu entsagen – mir Wirkungslosigkeit auferlegen oder anstreben könnte? Nicht gemeint sein kann ein Lossagen oder Absehen von der Wirkung meiner Handlungen. Das käme doch der Verantwortungslosigkeit gleich – oder? Also kein Verzicht? Was dann?

Könnte sich Wirkungslosigkeit einstellen, da auf sie abzuzielen widersinnig erscheint? Wie aber stünde es dann um selbstloses, absichtsloses Tun, wenn ein solches zugleich auch wirkungslos würde? Vom Willen vermag ich (selten) abzusehen. Hingabe, Aufgabe, Ergebenheit, Geschehen-Lassen – all das war noch soeben im Bereich meiner Möglichkeiten (jedenfalls denkbar), doch einer Wirkung kann ich mich nicht selbst entledigen. Sie obliegt doch meinem Zugriff nicht? Ich kann mich verlieren – doch wirkt ein Verlust nicht auch? Mit jedem Atemzug wirke ich. Jeder Gedanke, jedes Wort, mein Empfinden, Fühlen, Wahrnehmen wirkt. Wie? Darauf habe ich nur bedingt Einfluss – und doch ist da eine Zuständigkeit, die abzulehnen mir nicht zusteht. Wirkungslos … wohin weist dieses Wort?

Yves Berger, ‹Tree figure›, 195 × 130 cm, Kasein auf Leinwand, 2007–2025

Aus Kornblumenblau – Noten einer Ästhetischen Praxis ‹Sprechen lernen›, Prolog zu Veröffentlichungen aus dem Institut für Ästhethische Praxis.

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