Andauernder Frieden

Der Konflikt im Nahen Osten weitet sich aus und vertieft sich im Innern. Eine Suche nach langlebigem Frieden.


Heute bin ich nicht zufrieden. Ich bin auch nicht traurig. Ich habe diesen Moment schon einmal erlebt, als die beiden Kriegsparteien für eine Weile ihre Waffen niederlegten. Ich freute mich über diesen Moment.

Und dann wurde ich wieder enttäuscht, als die Kämpfe weitergingen. Wie bei einem Spiel von ‹Simon sagt› hob ich meine Arme, wenn es mir gesagt wurde, und senkte sie wieder, wenn er es wollte. Eine spielerische Indoktrination mit Marionetten. Und so tauche ich tiefer in diesen Moment ein und suche nach dem, was unter meinem Unbehagen liegt. Ich finde dort Samen, die in der Dunkelheit lauern und darauf warten, zu gegebener Zeit zu keimen. Auf der einen Seite sind es Samen der Scham und des Grolls, auf der anderen Seite Samen des Stolzes und der Selbstzufriedenheit. Ich erinnere mich an diese Samen aus der Zeit vor meiner Geburt. Sie sind in unser kollektives Bewusstsein eingeschrieben. Einmal wurden sie nach dem Sechstagekrieg gepflanzt. Zuerst lauerten sie, dann keimten sie und wuchsen sechs Jahre lang vor ihrer endgültigen blutigen Ernte im Jom-Kippur-Krieg. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Wie eine symphonische Reprise, wenn das Grundthema zurückkehrt, sich verwandelt und vergrößert. Was damals ein regionaler Konflikt war, umfasst heute die ganze Welt. Welches Grundthema wollen wir rekapitulieren? Und was wäre das Thema eines langlebigen Friedens? Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, wenn dessen Samen überall lauern. Frieden entsteht nicht durch die Vernichtung und bedingungslose Kapitulation des Feindes. Frieden ist die ultimative Erfüllung von Gottes Gebot «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst».1 Ich staune über diese Offenbarung und wiederhole sie wie ein Mantra.

Eine weitere Nachricht taucht auf, diesmal über stille Mahnwachen von Palästinensern und Palästinenserinnen in Gaza. Sie zeigen Fotos von israelischen Kindern, die am 7. Oktober getötet wurden. Sie wurden von ähnlichen Demonstrationen in Israel inspiriert, bei denen Bilder von getöteten palästinensischen Kindern gezeigt wurden. Diese geistigen Brüder und Schwestern bilden ein Feld des Friedens, das keine Grenzen kennt. Sie tragen Samen in sich, in denen geschrieben steht, dass dort, wo man Bilder umarmt, umarmt man auch am Ende Menschen.2 Sie sind ein Beweis dafür, dass wir nicht gezwungen sind zu gehorchen, sondern frei, zu erfüllen. Das Grundthema von Gottes Gebot auf dem Berg Sinai wird in Freiheit rekapituliert und transformiert: Frieden ist, sich dafür zu entscheiden, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Amen.


Mehr Omer Eilam

Foto awmleer

Fußnoten

  1. Levitikus 19:18
  2. in Anlehnung an Heinrich Heine: «Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.»

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