Leben ist Liebe

Ein Glaube, der Berge versetzt, mit Engelszungen sprechen – das Hohelied der Liebe von Paulus ist in der täglichen Sprache aufgegangen. Es ist die Kraft, die in den Worten liegt und vermutlich auch die Brücke, die diese Worte zu anderen Religionen schlägt. «Ich gehöre keiner Religion an, meine Religion ist die Liebe», dichtet der islamische Mystiker Rumi und baut ebenfalls an diesem Herzbund des Glaubens. «Dort, wo die Religionen weise sind, da sind sie nicht zu unterscheiden», sagt der Philosoph Gert Scobel.1 In konfliktreicher Zeit lohnt es sich, das Wort des Theologen Hans Küng von 1990 hinzuzunehmen, dass es ohne Religionsfrieden keinen Weltfrieden geben könne. Im Christentum ist Paulus der Friedensstifter, der Brückenbauer. Wie intoniert er sein Hohelied der Liebe? Er vergleicht uns Menschen mit einem Leib. Wir sind so verschiedene und einzigartige Glieder der Menschheit, wie es leiblich Fuß und Hand sind. Er preist die Vielfalt und erst dann folgt die Liebe in dem so viel zitierten 13. Kapitel des ersten Briefes an die Korinther. Und was folgt den Preisungen über die Liebe? Paulus erinnert sich: «Als ich ein Kind war …» Nach dem Hohelied der Liebe schaut er zurück – von Entwicklung ist die Rede. Vielfalt eröffnet und Entwicklung schließt den Hymnus über die Liebe. Vielfalt und Entwicklung, das Verschiedene nebeneinander und das Verschiedene nacheinander, das ist die Liebe. Noch kürzer: Vielfalt und Entwicklung sind die beiden Farben des Lebens. So ist das Leben die Liebe.


Bild Paulus-Malerei, Ende des 5. Jahrhunderts, in der Paulus-Grotte in Ephesus. Cover Miniatur in St. Galler Handschrift der Paulusbriefe, 1. Hälfte 9. Jh. Sie gilt als eine der ältesten Darstellungen von Paulus in der europäischen Kunst. Die Inschrift lautet: ‹Sankt Paulus sitzt und schreibt.› (Bearbeitet)

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Footnotes

  1. Schweizer Radio und Fernsehen SRF, Sternstunde Philosophie, ‹Weisheit – braucht man das heute noch?›

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