Krieg außerhalb des Rampenlichts

Während der Krieg in der Ukraine die Welt in Schrecken versetzte, gehen andere Kriege am Licht der Öffentlichkeit vorbei. Im Fall von Armenien sind die Verbindungen zu Europa besonders offensichtlich.


Bereits 2020 haben wir ein umfassendes Heft (‹Goetheanum› 48/2020) dem Krieg in Bergkarabach gewidmet. Damals hatte Aserbaidschan Armenien angegriffen und nach vier Monaten mit der Unterstützung der Türkei einen Sieg in den lang umstrittenen Grenzgebieten verzeichnet. Für die Armenierinnen und Armenier kehrte damit nur eine kurze Ruhe ein, denn bereits am 13. September dieses Jahres griffen aserbaidschanische Truppen Armenien erneut an und dieses Mal tobt ein Kampf im armenischen Kernland, dessen Existenz unbestreitbar ist. Es wird von diesem Krieg aber wenig berichtet, und das, obwohl die Geschichte Armeniens bereits von einem Völkermord mit deutscher Mitverantwortung gezeichnet ist. Liegt es daran, dass – da das russische Gas aus strategischen Gründen abgestellt werden musste – nun Gas aus Aserbaidschan in die EU fließt? Das vermutet zumindest der in Berlin lebende armenische Reporter Tigran Petrosyan: «Damit dieselben Europäerinnen und Europäer nicht kalt duschen müssen, wenden sie sich nun aber einfach dem nächsten Diktator zu: Ilcham Alijew, der – wie Putin – Andersdenkende einsperrt und die Pressefreiheit einschränkt.» (‹Die Zeit›, ‹Christ und Welt›, 21. Sept.) Fest steht auf jeden Fall, dass die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juli erst ein Energiebündnis mit Aserbaidschan in Baku bekräftigte. Die Kritik der westlichen Welt an dem Überfall auf Armenien und dem Verstoß gegen den Waffenstillstand ist jedenfalls verhalten bis unsichtbar. Alijew braucht sich vor internationalen Sanktionen nicht zu fürchten und kann mit seinem Bündnispartner Erdogan in Ankara weiter pantürkistische Pläne für den Südkaukasus schmieden, in denen Armenien als Staat oder als urchristliche Bevölkerung keine Rolle mehr spielen dürfte.


Link ‹Warum kratzt euch dieser Krieg nicht?› von Tigran Petrosyan, Zeit

Bild Hauptstadt Erevan, Armenien. Quelle: samivkrym.ru

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare