Kathartisches Schreiben

[…] da ist das Schreiben für mich das Richtige, auch weil es etwas Kathartisches hat. Man schreibt auch, um sich etwas anzunähern, an das man sich anders nicht wagen würde, man schreibt auch, um etwas Unbegreifliches zu durchdringen, um den Dingen einen Namen zu geben, man schreibt auch, um vermeintlich Eindeutiges undurchdringlicher, komplexer, ambivalenter zu machen, um vermeintliche Gewissheiten zu verunsichern, man schreibt auch, um andere Vokabularien zu entdecken, die zarter und präziser sind … Wenn es gelingt, dann fühlt es sich befreiend an.

Carolin Emcke
Aus: Für den Zweifel – Gespräche mit Thomas Strässle. Zürich 2022, S. 82.


Die Publizistin Carolin Emcke war viele Jahre als Auslandsredakteurin in Kriegs- und Krisengebieten tätig. Sie gebraucht Sprache als Instrument, um Zeugenschaft für das Zeitgeschehen abzulegen. Das Schreiben in seiner Funktion als suchende Dokumentation der Gegenwart hat dabei Verwandlungspotenzial.


Auswahl und Kommentar Johanna Lampbrecht
Zeichnung Philipp Tok

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