Fährmann, setz mich über meinen
Gedankenstrom, wild
rauscht er an die Ufer und geht
zu tief.
An meiner Muttersprache bricht er die Wellen hart
und laut, raubt mir
den Schlaf.
Unter deinem Blick
habe ich die Zunge verloren.
Wenn wir sitzen, ist mein Atem kaum hitziger
als deine inneren Gezeiten:
sonnengewärmt
an der Böschung.
Fährmann, setz mich
über. Seit letztem Winter
ist meine Stimme verwitwet.
Sigune Schnabel
Aus: Auf Zimmer drei liegt die Sehnsucht. Gedichte. Vechta 2021, S. 31.
Der Gedankenstrom bricht sich an der Sprache und über den Atem wächst die Sehnsucht zur eigenen Stimme. Welcher Fährmann kann die Brücken bilden zwischen Gedanke und Sprache?
Auswahl und Kommentar Johanna Lamprecht
Zeichnung Philipp Tok