Die Metamorphose der Pflanzen

Jena, Deutschland. Die neue Ausstellung ‹Pflanzenvielfalt – ein Spiel mit den Formen› im Botanischen Garten Jena widmet sich der Morphologie und Entwicklungsbiologie von Pflanzen. Umgesetzt wurde sie vom niederländischen Botaniker Peer Schilperoord.


Längsschnitt durch eine Endknospe eines Bergahorns. Die Sprossknospe ist in der vergleichenden Morphologie zu wenig berücksichtigt worden. © Peer Schilperoord, Illustration Jasmin Huber-Baumann

Das Besondere der Ausstellung ist einerseits die Bezugnahme auf Goethes ‹Die Metamorphose der Pflanzen›, wie er sie 1790 formuliert hat, und andererseits die vorgeschlagene Erneuerung der Metamorphosenlehre mithilfe des von Goethe 1798 selbst geprägten Begriffs der organischen Entzweiung. Lässt man sich auf die von Goethe beschriebene dreifache Ausdehnung und Zusammenziehung als Grundelement der Metamorphose ein, dann muss man feststellen, dass der lineare Ansatz für die Blütenorgane zu kurz greift. Die Morphologie hat sich von diesem Ansatz verabschiedet, als man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts feststellte, dass die Reihenfolge der Blütenorgane nicht so fixiert ist wie die Reihenfolge der Stängelblätter. Heute wird der Metamorphosebegriff in der Morphologie nur noch bei der Beschreibung und Ableitung der Vielfalt der Formen verwendet, die die Grundorgane Blatt, Wurzel und Sprossachse an der vegetativen Pflanze annehmen können. Im englischen Sprachraum ist von der ursprünglichen Idee der Metamorphose noch der Begriff Heteroblastie übrig geblieben. Mit Heteroblastie bezeichnet man das Phänomen der Formenvielfalt bei aufeinanderfolgenden Laubblättern einer Pflanze. Zu Goethes Lebzeiten waren die Vorgänge der Befruchtung im Pflanzenreich unbekannt. Goethe hatte dazu Vermutungen, schrieb aber über seine favorisierte Hypothese zur Erklärung der weiblichen Teile: «Mir ist für nichts bange als für der zweiten Hypothese, welche zwar dem Werke die Krone aufsetzen muss, aber auch gar leicht zur Dornenkröne werden könnte.» Erst 1848 wurde das Geheimnis aufgedeckt. Goethe hat die einjährige Pflanze, weil sie auf den ersten Blick einfacher erscheint, als Modellpflanze für seine Überlegungen genommen. Heute weiß man, dass die ersten Blütenpflanzen mehrjährig waren. Die Einjährigen verheimlichen, was die Mehrjährigen offen zeigen: die Bildung von Sprossknospen. Das Ziel der Ausstellung ist es, den Betrachter anzuregen, den ursprünglichen Metamorphosegedanken zu metamorphosieren. Die Ausstellung ist bis in den Herbst zu sehen; sie besteht aus 15 Rollup-Displays, die im Garten aufgestellt sind. Der Katalog zur Ausstellung mit erläuternden Texten kann bei Peer Schilperoord bezogen werden.


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Titelbild Von André Karwath aka Aka – Eigenes Werk (Ausschnitt), CC BY-SA 2.5

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