Der Mensch in seiner Landschaft

In der Ökologie wird auf einfache und zugleich komplexe Weise erkennbar, dass der Mensch mit seinem Handeln und Denken ein zentraler Akteur der Weltentwicklung ist, dass er eine besondere Verantwortung trägt und die Zukunft der Erde in seinen Händen liegt. Das hier besprochene Buch liefert zur Wahrnehmung dieses Umstands praktische Anregungen.


Dringend von Nöten ist ein Denken und Handeln, das die Lebendigkeit und systemische Komplexität unserer beseelten Öko- und Klimasysteme miteinbezieht. Wie gestalten wir aber eine partnerschaftliche Beziehung mit unserer lebendigen Mitwelt? Die Landschaftsexperten und -expertinnen Sonja Schürger, Bas Pedroli, Laurens Bockemühl, Thomas van Elsen und Cornelis Bockemühl haben sich in langjähriger Zusammenarbeit dieser Frage gewidmet. In ihrem 2021 erschienenen Praxisband ‹Landschaft – eine innere Entdeckungsreise› erarbeiten sie auf praktische und zugleich theoretisch fundierte Weise ‹Wege zu einer lebendigen Beziehung mit der Natur›. Sie versammeln damit vielfältig erprobte Einsichten über die kreative Gestaltung lebendiger Kulturlandschaften und die damit einhergehenden inneren Transformationspotenziale. Damit möchten sie «Anregungen geben, die an der eigenen schöpferischen Verbindung mit der Welt im Wahrnehmen, Miterleben und Handeln ansetzen».1 Ihre wichtigste Inspirationsquelle ist Jochen Bockemühl (1928–2020), dessen Impulse aus vielen gemeinsamen Exkursionen intensiv zur Entstehung des Bandes beigetragen haben. In gut strukturierten und anschaulich erarbeiteten Beiträgen wird in fünf Teilen und 17 Kapiteln ein stringent aufeinander aufbauender Erfahrungsweg entwickelt, der zum Üben, Nachdenken und Umsetzen einlädt. Das Buch regt an, auszuprobieren und mitzugestalten, und eröffnet Laien wie Expertinnen weitreichende Handlungsperspektiven.

Das Überthema ist die ‹Landschaft als Herausforderung›. Die Auffassung von Landschaft durch künstlerisch-ästhetische Wahrnehmungspraxis zu erweitern, wird anhand eines Stimmungsbildes einer von den Autoren und Autorinnen besuchten Landschaft und einer kunst- und bewusstseinsgeschichtlichen Einführung dargelegt. Es wird erlebbar, wie die «Zusammengehörigkeit von sinnlicher und geistiger Anschauung» zu einer vertieften Naturbeziehung und damit zu einer ganzheitlichen ökologischen Arbeit führen kann.

Das Buch regt an, auszuprobieren und mitzugestalten.

Instruktiv und mit Beispielen veranschaulicht, wird der Blick «von der Einzelwahrnehmung (auf die) Auffassungsgabe für das Ganze» gerichtet. Beginnend mit dem Erleben der Landschaft als Atmosphäre, führen die Autoren durch diverse unsere Landschaft konstituierende Lebensbereiche: ‹Tiere im Landschaftszusammenhang›, ‹Pflanzen in der Landschaft› und ‹Gesteine und Landschaftscharakter›. Die Beobachtungsübungen ‹Wie verändern Tiere die Landschaft?› und ‹Das Zeichnen von einzelnen Gesteinsstücken› seien hier exemplarisch genannt. Es wird angeregt, anhand der Sinneswahrnehmungen Erfahrungen zu machen, die im Laufe der einzelnen Aufsätze aufgegriffen und vertieft werden. In den Beobachtungen zur Metamorphose der Pflanze wird besonders deutlich, dass die Lektüre ein individuelles Tätigwerden voraussetzt und dass sie sich in ihrer Bedeutung erst ganz entfalten kann, wenn Lesende das Angebotene innerlich miterleben, nachempfinden, durchdenken und somit «einen inneren Tätigkeitsstrom im Nachschaffen der (natürlichen) Formen» erzeugen. Aus diesem Ansatz entwickeln die Autoren und Autorinnen schließlich schrittweise ‹Wege zum Handeln aus Einsicht›. Partizipative Methoden werden aufgeführt, die, wie anhand von Beispielen von Seminaren auf Biobauernhöfen oder der Umgestaltung einer Freiluftbadeanlage gezeigt, zu gemeinschaftlich wahrgenommenen und gepflegten Landschaften führen können.

In diesem Sinne liegt eine ästhetische und ökologische Weiterentwicklung der europäischen Landschaft als gemeinschaftliche Aufgabe ‹in unseren Händen›. Das Anthropozän macht erlebbar, dass unsere inneren Denk- und Handlungsstrukturen intim mit dem Äußeren der Natur verbunden sind. Die große Herausforderung in unserer planetaren Krise ist es somit, sich selbst als Weltgestalter zu erkennen. Die gelungene ‹Entdeckungsreise› der fünf Autorinnen und Autoren, die trotz vieler individueller Beiträge einen organisch zusammenhängenden Erkenntnispfad vermittelt, ermöglicht eine fundierte und engagierende Lektüre für eine schöpferische Beziehung zu unseren Landschaften. Die unbedingte Leseempfehlung richtet sich also auch an diejenigen, die (noch vermeintlich unerfahren) eine für Mensch und Erde heilsame Begegnung mit der Natur an ihrem eigenen Lebensort neu kultivieren möchten.


Buch Sonja Schürger, Bas Pedroli, Laurens Bockemühl, Thomas van Elsen, Cornelis Bockemühl, Landschaft – eine innere Entdeckungsreise, Wege zu einer lebendigen Beziehung mit der Natur, Schneider Editionen 2021

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Footnotes

  1. Alle Zitate sind aus dem Buch.

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