Lisa Romero arbeitet mit den Begriffen Sonnenkarma und Mondkarma, um die derzeitigen Umstände unseres Weltgeschehens auszudrücken. Sie sieht, dass sich das ‹Gesetz der Liebe› in der Welt und den Menschenseelen verankern will. Das ermöglicht eine neue Perspektive auf ‹Leadership›. Das Göttlich-Weibliche zeigt eine Weise, in der die menschliche Seele die neue Art zu führen ins Leben ruft. Die Fragen stellte Laura Scappaticci.
Was beobachtest du heute in der Welt?
Ein völlig neues Gesetz für die Menschheit, das ich als Sonnenkarma oder Gesetz der Liebe bezeichne, scheint unsere Welt tiefgreifend zu verändern. Die meisten Menschen leben jedoch innerlich immer noch nach dem Mondkarma-Gesetz.
Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Arten von Karma?
Die meisten von uns sind immer noch in der Mentalität des Mondkarmas gefangen. Wir glauben, wir haben etwas richtig gemacht, wenn etwas gut läuft. Und dann haben wir den Erfolg auch verdient. Wenn etwas ‹schiefläuft›, müssen wir vom richtigen Weg abgekommen sein. In Situationen wie in Palästina hören wir Menschen sagen: «Nun, sie haben das Recht, Auge um Auge zu vergelten.» Das ist Mondkarma. Selbst diejenigen, die überhaupt nichts mit dem Konzept des Karmas am Hut haben, hängen der Vorstellung von «Ich gebe dir etwas, und du musst mir etwas zurückgeben» an. Wir sagen zum Beispiel: «Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus» oder «Sie werden ihre Strafe bekommen», wie meine Mutter sagen würde. Das ist alles Mondkarma-Denken. Wir schaffen immer noch Rechtsgültigkeit aus etwas, das nicht mehr lebendiges Gesetz ist.
Das neue Gesetz des Sonnenkarmas besagt nicht ‹Auge um Auge, Zahn um Zahn›, wie das Mondkarma der Vergangenheit. Es wurde in die Herzen jener geschrieben, die die Bergpredigt vernahmen. Es besagt, dass man, wenn man eine Schuld hat, mehr Gelegenheit erhält, zu dienen, zu geben und zu lieben. Durch die Linse des Sonnenkarmas betrachtet, sind jene, die großen Einfluss auf Menschengruppen und unsere Zukunft haben, also unsere heutigen ‹Führenden›, nicht in ihren Positionen, weil sie die größere Verbindung zum Geist haben, wie es früher einmal war, sondern weil sie die größten ‹Schulden› haben. Dir wird die Möglichkeit geboten, anders in die Zukunft zu führen, und dein Ego muss sich erheben und sich dieser neuen Herausforderung stellen. Wir beginnen gerade erst, es als eine neue Art des karmischen Gesetzes zu verstehen. Wenn wir es schon könnten, würden wir nicht davon ausgehen, dass Menschen eine privilegierte Führungsposition erhalten, weil sie sich diese verdient haben. Vielmehr erhalten sie die Möglichkeit, dem Guten zu dienen, weil dies der neue Weg ist, Schulden auszugleichen.
Wie können wir unsere Perspektive ändern?
Wenn geistige Wirklichkeiten ins Leben treten, kann ein Einzelner oder eine Einzelne von der geistigen Welt inspiriert werden. Aber es bedarf einer Gruppe, um diese Inspiration ins Ätherische einzuschreiben. Erfolg ist dann erreicht, wenn die gesamte Menschheit wahrnehmen kann, was von einer Gruppe eingeschrieben wurde. Wir könnten sagen, dass der Erfolg des Sonnenkarmagesetzes, das ins kollektive Bewusstsein gelangt ist und für das Rudolf Steiner ein großer Initiator war, jetzt von vielen Menschen wahrgenommen wird. Denn wir beobachten unsere ‹Führenden› und können denken, dass sie korrupt sind oder korrumpiert werden. Die Tatsache, dass wir uns dessen kollektiv bewusst sind – nicht nur als Anthroposophinnen und Anthroposophen, nicht nur als jene mit spirituellen Visionen, sondern der größte Teil der Menschheit –, zeigt, dass es sich manifestiert. Wenn sich etwas in der Erdsphäre manifestiert, was noch nicht von Menschen mit Verständnis und Weisheit aufgenommen wird, geschieht es als ein Kampf. Erreicht es das kollektive Bewusstsein, offenbart es sich als Chaos und Herausforderung. Aber das bedeutet, dass etwas Neues beginnt, in die Menschheit einzukehren.
Was können wir während dieses Übergangs beobachten?
Was wir im Außen erleben werden, ist sowohl eine Zunahme des Mondkarma-Verhaltens, also ‹Auge um Auge›, als auch die Fähigkeit der Menschen, zu erkennen, dass dies nicht mehr richtig ist. In der Bergpredigt gibt es das Bild von der ‹anderen Wange›. Es gibt die Seligpreisungen, das ‹Vaterunser›. Diese Bilder sind esoterisch und tiefgründig, sie beziehen sich auf dieses neue karmische Gesetz.

pressed Aquarell; Karton, Tusche.
Beim Sonnenkarma geht es nicht um Macht, Bestrafung oder Ausgrenzung. Ist es aber das, was die Menschen bemerken?
Absolut. Ich liebe es, dass sich neue geistige Gesetze auf der Weltbühne offenbaren. Aber die Weltbühne stellt sie nicht mit Weisheit, Verständnis und Leichtigkeit dar. Es wird äußere Konflikte geben, bis der neue Weg so tief in unseren Seelen verankert ist wie heute der alte Weg. Die Menschen, die Steiner umgaben und die Bilder des Sonnenkarmas in ihre Seelen aufnahmen, haben erfolgreich dazu beigetragen, dieses neue Gesetz der Liebe zu entfalten. Denn es kann nicht auf die Weltbühne treten, ohne einen Prozess zu durchlaufen, der zuerst den Einzelnen, dann die Gruppe und dann die größere Welt durchläuft. Wenn Menschenseelen es hören können, wenn sie es wahrnehmen können, dann haben sie es aufgenommen, und es wird in den Äther der Welt gebracht.
Es wird noch lange dauern, bis alle karmischen Wege der Sonne integriert sind und jeder sich bewusst wird, dass Einfluss auch Verpflichtung mit sich bringt: Wenn man die Möglichkeit hat, mehr zu dienen, muss man auch mehr geben und mehr lieben. «Du hast mir das angetan, jetzt tue ich dir das an» und «Ich habe diese Arbeit geleistet, also verdiene ich diese Belohnung» haben nach wie vor starken Einfluss auf unsere menschliche Psyche. Aber das ändert sich gerade. Wir können es daran erkennen, dass Personen Führungspositionen bekommen, die genau nicht die Geeigneten dafür wären. Sondern Personen mit der größeren karmischen Belastung bekommen die Positionen, um ihre Schulden abzuarbeiten. Es gibt eine Veränderung in unserem Verständnis von karmischer Schuld. Wie gehen wir damit um? Wie können wir das verstehen, wenn wir nach einer neuen Führung suchen? Wie würde Macht aussehen, wenn es sich um die Macht der Liebe und nicht um die Liebe zur Macht handelt?
Wenn wir Kindern sagen: «Beiß die Zähne zusammen. Zeig Durchhaltevermögen», sagen wir ihnen im Grunde, dass sie in der Lage sein sollten, Schmerzen, Unbehagen und Herausforderungen alleine zu bewältigen. Wenn sie das nicht können, sind sie schwach. Das ist vergleichbar mit «Du bekommst, was du verdienst». Aber wir beginnen zu erkennen, dass Resilienz nicht im Individuum zu finden ist. Vielmehr wird sie durch Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung gefördert und gestärkt. Wenn Resilienz aus Gemeinschaft stammt und nicht nur aus uns selbst, ergibt sich ein anderes Bild von Transformation, Führung und Heilung. Führung wird zu einer Aufgabe der Gemeinschaft, zu einer Gruppenaufgabe.
Das ist interessant, weil es mit dem zusammenhängt, was Rudolf Steiner als den umgekehrten Kultus bezeichnet hat. Neue Gruppenseelenkräfte wollen in einer Gruppe oder einem Volk wirken. Das sind geistige Wesen, die danach streben, den Wandel zu durchdringen, der innerhalb der Gruppe stattfindet, nicht nur innerhalb des Individuums. Das ist schwierig, weil diejenigen, die sich als Gruppe zusammenfinden, oft ein Mondkarma haben, das sie zusammengebracht hat. Aber die Bereitschaft, sich auf das Sonnenkarma einzulassen, die Bereitschaft, nicht das zu wiederholen, was war, sondern sich auf die Inspiration der geistigen Welt einzulassen, ist das, was uns in die Zukunft tragen wird. Das Mondkarma will die Vergangenheit zurückholen und wiederholen. Das Sonnenkarma fordert uns auf, mit den lebendigen Realitäten der geistigen Welt zu arbeiten, die eine Zukunft für die Menschheit suchen. Führungskräfte, die dazu keine Verbindung haben, sind in der Regel nicht bereit, eng in einer Gruppe zusammenzuarbeiten.

Wie arbeitest du damit in deinen Retreats und Bildungsangeboten?
In Irland arbeite ich mit dem umgekehrten Kultus und bringe Menschen auf diese neue Art und Weise zusammen. Es ist nicht leicht für Menschen, mit allen anderen auf Augenhöhe zu sein. Es ist wirklich schwer, tiefgreifend mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber ich denke, wenn wir einige der neuen Gesetzmäßigkeiten des Sonnenkarmas verstehen würden, wären wir eher bereit, mit anderen zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten. Denn es zeigt sich, dass die Zukunft der Liebe bekannt ist, wenn zwei oder mehr Menschen zusammenkommen. Für mich ist das eine Möglichkeit, den ätherischen Christus zu erfahren.
Wenn man also in eine Führungsposition gebracht wird, hofft man letztendlich, dass man bald wieder davon befreit wird, denn das bedeutet, dass man seine Schuld beglichen hat. Und das passiert oft. Im Bereich des Sonnenkarmas werden Menschen herabgestuft und nicht befördert. «Die Sanftmütigen werden die Erde erben», ist eigentlich eine gute Sache. Aber es ist sehr schwer, denn unsere gesamte Psyche versteht Erfolg auf eine andere Art und Weise.
Würden sich unsere Wünsche und Gebete für die Welt oder ihre ‹Führenden› ändern, wenn wir die Konzepte von Sonnenkarma und Mondkarma im Hinterkopf haben?
Ja, ich glaube, das ändert sich tatsächlich, und es führt dazu, dass wir weniger von unseren Führungskräften enttäuscht sind. Es ist eine faszinierende Zeit, in der wir leben, weil sich alles umkehrt. Als dieses neue Gesetz kam, konnte es nicht in die Menschheit eindringen. Es musste durch die Michael-Schule und die Eingeweihten dieser Schule in die Herzen der Menschen gelangen, die dafür empfänglich waren, bevor es tatsächlich in die breitere Welt eindringen konnte. Rudolf Steiner war nicht der Einzige. Petar Danow zum Beispiel sagte: «Ihr habt nach dem Gesetz des Karma gelebt, jetzt ist es Zeit, nach dem Gesetz Christi zu leben!»
Steiner hat dies vor über 100 Jahren empfangen. Was bedeutet es für uns als Gruppe, die heute lebt und mit einer anthroposophischen Weltanschauung durch die Welt geht?
Was mich wirklich interessiert, ist, welche Taten der Liebe, die durch Christus ins Leben gerufen wurden, sich jetzt entfalten wollen? Was werden wir mit Michaels Hilfe heute entwickeln? Was muss eine kleine Gruppe wie die Anthroposophische Gesellschaft heute in ihren Herzen und Köpfen vernehmen, um für die Menschheit in 100 Jahren zu wirken? Das Wichtigste ist, dass wir bereit sind, Dinge wachsen zu lassen, wenn sie wachsen müssen, und nicht an alten Gewohnheiten festhalten, nur weil wir wissen, dass sie damals erfolgreich waren.
Du meintest in einem anderen Kontext, dass diese Entwicklungen auch mit dem göttlichen Weiblichen zusammenhängen. Wie genau meinst du das?
Wenn man durch die Augen des Gesetzes der Liebe schaut, beginnt man, sich mit einer Kraft zu verbinden, die immer mehr in unser Leben eindringen möchte. Wir sprechen von Christus als dem Wesen der Liebe, aber es ist schwer, das göttliche Weibliche vom göttlichen Männlichen zu trennen, wenn wir über das Wesen Christi sprechen. Ich liebe das Gemälde ‹Der Erlöser› von Leonardo da Vinci. Es ist nicht eindeutig, ob es männlich oder weiblich ist. Ich erlebe dies so, dass das göttliche Männliche mit dem Weltgeist und das göttliche Weibliche mit der Weltseele verbunden sein kann. Das göttliche Männliche hält den Boden des undurchdringlichen Allerheiligsten, den unberührbaren Geist meines Wesens. Das göttliche Weibliche ermöglicht es meiner Seele, sich der Außenwelt zu öffnen. Dadurch kann die Welt meine Seele beeindrucken und der andere einen Eindruck hinterlassen – ich kann vom anderen durchdrungen werden, um den anderen zu erfahren.
Das göttliche Feminine ist entscheidend, um zu erfahren, was tatsächlich geschieht. Menschen haben die Schwierigkeit, dass sie die Eindrücke der Welt nicht zulassen wollen. Ohne diese Eindrücke können die höheren Welten nicht wirklich verstehen, was wir als Menschen auf der Erde durchmachen. Ohne dass wir Trauer, Kämpfe, Freuden und Wonne durchleben, ohne dass wir von der Welt bewegt werden, stehen wir nicht im Dialog mit der geistigen Welt. Sie ist im Kontakt damit, wie sich unsere Seelen bewegen, und nicht damit, wie viel in unserem Intellekt steckt. Wir müssen die Erfahrungen machen, die durch die Seele zu uns kommen – und das verbindet uns direkt mit dem göttlichen Weiblichen.
Ein Teil meiner Untersuchung befasst sich mit den verschiedenen Darstellungen der Madonna als göttlich-weiblichem Wesen. Sie bergen Geheimnisse darüber, wie das göttlich-weibliche Wesen wirkt. Wir sehen die Madonna mit den sieben Schwertern durch die Brust, die Madonna mit Kind, die Schwarze Madonna, die Madonna, die auf der Welt steht, und die Pietà-Madonna. Jede von ihnen ist ein tiefgründiges Bild der Rolle des göttlichen Weiblichen in der kosmischen Ordnung unserer Seelen. Ich denke, wenn wir diese verschiedenen Bilder untersuchen könnten, würden wir verstehen, was die Seele wirklich zu ‹essen› sucht – wofür wir unsere Energie, Aufmerksamkeit und Zeit einsetzen könnten.
Nehmen wir das Bild der Schwarzen Madonna, das nur ein Ausdruck des göttlichen Weiblichen ist. Manche sagen, sie sei eine Vertreterin von Demeter, der Erdgöttin. Aber durch die ägyptischen Mysterien repräsentiert sie die Weisheit, dass jeder das bekommt, was er vom göttlichen Weiblichen braucht. Wenn es in einer Kirche eine Schwarze Madonna gäbe, könnte jeder die Kirche betreten und zu ihr beten, auch wenn man nicht zu dieser Gemeinde gehört. Sie ist ein Bild des göttlichen Weiblichen, das alle mit den Seelenimpressionen versorgt, die sie für ihre nächste Entwicklungsstufe benötigen. Die Weisheit der Kirche zu jener Zeit bestand darin, zu wissen, dass es einen Teil der geistigen Welt gibt, der jedem offen sein muss, der daran teilhaben möchte.

Sind diese verschiedenen Madonnen alle unterschiedliche Führerinnen?
Ich betrachte sie im Sinne von Seelenweisheit, denn Weisheit muss die nächste Generation fördern. Wie können wir Kindern nicht vermitteln, dass sie dieses oder jenes sein sollten, sondern dass wir ihnen helfen, all das zu sein, was sie selbst sein müssen? Dieses Bild sollte wirklich jedem Kind vermittelt werden: Was auch immer du sein musst, die Welt wird es dir geben.
Es ist so schade, dass wir schon in jungen Jahren zu Wettbewerb und sozialem Ansehen erzogen werden. Diese Dinge haben nichts mit der Führung der Zukunft zu tun. Ich denke, das Göttlich-Weibliche repräsentiert eine Art und Weise, wie die menschliche Seele diese neue Führung ins Leben ruft.
Die Madonna der sieben Schwerter ist ein weiterer Aspekt, über den wir gesprochen haben: dass Dinge eindringen müssen und es schmerzhaft ist, die Welt hereinzulassen. Die anderen Madonnenbilder sind weitere Aspekte der göttlichen Seele bei der Arbeit. Ich denke, wenn die zukünftige Führung einige dieser göttlich-weiblichen Bilder verkörpern würde, würde das eine Verbindung zum Sonnenkarma herstellen.
Wir erhalten ständig die Möglichkeit, uns dem Gesetz der Liebe, dem Sonnenkarma, anzunähern. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte man sagen, dass die Entscheidung über unsere Zukunft noch nicht gefallen ist. Es ist nicht so, dass alles schon entschieden ist. Wir haben verloren oder gewonnen. Wir wissen nicht genau, wohin die Menschheit sich entwickelt. Aber wir wissen, dass es eine Zukunft gibt, die vom Göttlichen gewollt ist, das mit uns zusammenarbeiten und uns bei unseren Schulden helfen möchte. Noch ist alles offen, selbst für diejenigen, die scheinbar so weit vom Weg abgekommen sind. Das Sonnenkarma ist eine Möglichkeit für jeden von uns, an der vom Göttlichen gewollten Zukunft mitzuwirken.
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