Die Publizistin und Politikwissenschaftlerin Ute Scheub und der Permakultur-Designer und Geograf Stefan Schwarzer haben mit ihrem jüngsten Buch einen äußerst wertvollen Beitrag zur Überwindung der global-ökologischen Krise geleistet.
Das gründlich recherchierte Werk fasst auf gut verständliche Art die jüngsten Forschungsresultate der Mikrobiomforschung zusammen. Ganz neue Aspekte über die Bedeutung der Mikroben in Ökologie, Landwirtschaft, Tierwohl und menschlicher Gesundheit machen das Lesen zu einem Aha-Erlebnis über bislang wenig bekannte Zusammenhänge. Das Buch ist mit Unterstützung mehrerer Fachleute aus verschiedenen Disziplinen entstanden und enthält neben einigen Interviews auch ein umfangreiches Literaturregister sowie eine Reihe von faszinierenden Aufnahmen von Mikroorganismen. Die Mikrobiomforschung hat in den letzten Jahren zu einem Paradigmenwechsel im medizinischen und ökologischen Denken geführt. Galt vor 20 Jahren noch: «Ein gesunder Organismus ist ein steriler Organismus», so wissen wir heute, dass wir mit Myriaden von Bakterien, Viren, Pilzen, Archaeen und anderen Kleinstlebewesen besiedelt sind, die für unsere körperliche, seelische und geistige Gesundheit unersetzlich sind. Die Mikroorganismen stellen ein universelles Netzwerk des Lebens dar, gleichsam eine alle Lebewesen verbindende Ur-Biosphäre, über die die unzähligen Organismen dieser Erde auf eine vielschichtige und komplexe Weise miteinander verwoben sind.
Ein großer, symbiotischer Zusammenhang tut sich auf, wie er bis vor Kurzem noch unvorstellbar schien. Dass alle Lebensformen unseres Planeten über den einen Stammbaum der Evolution miteinander verwandt sind, war schon eine bahnbrechende Erkenntnis der Biologie; dass aber Pflanzen, Tiere und Menschen über die Mikrobiome auch genetisch-funktionell miteinander vernetzt und verflochten sind, gehört zu den revolutionärsten Erkenntnissen der aktuellen Wissenschaft. Was machen beispielsweise die Gene von Wiesenkräuter-Mikrobiomen, die wir über Kuhmilch oder Honig aufnehmen, in unserem Gehirn?
Mikrobielle Vielfalt schützen
Global Health ist weit mehr als nur eine gut gemeinte Öko-Parole. Das Konzept zeigt uns inzwischen die begrenzte Reichweite einer an linearen Biomechanismen orientierten Wissenschaftsmethode auf. Die analytische Forschung hat in den letzten 150 Jahren die Naturerscheinungen bis in ihre letzten Elementarteilchen auseinandergenommen und wir drohen gerade, in einem Meer zusammenhangloser Daten und Fakten unterzugehen. «Wir haben die Welt komplett zerlegt und jetzt haben wir das Problem, dass wir sie nicht mehr zusammenbekommen», bemerkte der Physiker Hans-Peter Dürr einmal. Trotz eines exponentiell steigenden Wissens und der Anhäufung gigantischer Datenmassen werden unsere ökologischen und gesundheitlichen Probleme nicht kleiner, im Gegenteil: Weltweit steigende Zahlen von Krebs, Allergien, Autoimmunerkrankungen, Diabetes, Stoffwechselstörungen sowie psychischen und neurodegenerativen Erkrankungen erfordern ein neues, systemisches Denken. All diese Erkrankungen hängen mit einem dramatischen Rückgang der mikrobiellen Diversität zusammen. Laut dem Konzept der planetaren Grenzen ist der Verlust der genetischen Integrität und Vielfalt das schwerwiegendste und riskanteste unserer gegenwärtigen globalen Probleme. Die Biodiversität ist der entscheidende Faktor für die Gesundheit und die Resilienz von Ökosystemen, ob in der Makroökologie der Natur oder in der Mikroökologie unseres Darmes. Die Naturzerstörung im Großen schlägt über die Verarmung der Darm-Mikrobiome auf uns zurück. Hauptverantwortlich neben all den toxischen Umweltchemikalien ist vor allem die industrialisierte Landwirtschaft: Pestizide, Kunstdünger, Antibiotika und Einheits-Saatgut sind maßgeblich für den kontinuierlichen Rückgang der mikrobiellen Diversität und damit auch für den Verlust der Vitalität und Robustheit unserer landwirtschaftlichen Böden verantwortlich, aus denen wir 95 Prozent unserer Nahrungsmittel beziehen.

Die Böden sind die größte Ressource für den Erhalt mikrobieller Vielfalt. Über die Nahrungskette setzt sie sich bis in unsere Gedärme fort. Aber nicht nur die landwirtschaftlichen Monokulturen bedrohen das lebenserhaltende Diversitätsprinzip unserer Erde. Auch in der Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Medienlandschaft machen sich global immer mehr, nur noch an der ökonomischen Logik orientierte Monokulturen breit, für die die stetig steigenden Krebszahlen wie eine Art Metapher stehen – für die Utopie, ja Ideologie des unbegrenzten Wachstums. Wenn uns die Transformation zum qualitativen Wachstum nicht gelingt, wird das «leise Sterben» (Martin Grassberger 2022) weitergehen. Man kann nur wünschen, dass die in dem Buch behandelten Inhalte auch Einzug in die Lehrpläne von Schulen und Universitäten finden. Es geht um mehr als nur Bakterien. Ihre Vielfalt und Dynamik sind im Grunde Ausdruck für das, was wir Lebendigkeit nennen.
Buch Ute Scheub, Stefan Schwarzer: Gesundheit beginnt im Boden – Warum die Gesundheit allen Lebens von winzigen Mikroben abhängt. Oekom Verlag München 2025.








