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Der Drache folgte ihr nach wie ein zahm Hündlein

Da sie noch sprachen, siehe, so hob der Drache sein Haupt aus dem See. Die Jungfrau zitterte vor Schrecken und rief: «Flieh, guter Herr, flieh, so schnell du magst.» Aber Georg sprang auf sein Ross, machte das Kreuz vor sich und ritt gegen den Drachen, der wider ihn kam; er schwang die Lanze mit großer Macht, befahl sich Gott und traf den Drachen also schwer, dass er zu Boden stürzte. Dann sprach er zu der Jungfrau: «Nimm deinen Gürtel und wirf ihn dem Wurm um den Hals, und fürchte nichts.» Sie tat es, und der Drache folgte ihr nach wie ein zahm Hündlein. Als sie ihn nun in die Stadt führte, erschrak das Volk und floh auf die Berge und in die Höhlen und sprach: «Weh uns, nun sind wir alle verloren.» Da winkte ihnen Sankt Georg und rief: «Fürchtet euch nicht, denn Gott der Herr hat mich zu euch gesandt, dass ich euch erlöse von diesem Drachen.»

Jacobus de Voragine, Historia de Sancto Georgio, aus: Legenda aurea. Aus dem Lateinischen von Richard Benz

Wenn man sich das Bild des Kampfes mit dem Drachen vergegenwärtigt, vergisst man manchmal, dass auch eine weibliche Gestalt, die in großer Gefahr steht, zum Bild gehört. In der Legende von Sankt Georg ist es eine jungfräuliche Prinzessin. Diese weibliche Gestalt steht nicht nur passiv da, sondern verkörpert die eigentliche Motivation des Kampfes: Für sie wird gekämpft.


Zeichnung von Philipp Tok

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