Mount Ararat and the Yerevan skyline. The Opera house is visible in the center.

Unterrichten nach dem Krieg

Armenien hat mit dem Krieg und dem kürzlich getroffenen Waffenstillstand viel verloren. Was bedeutet das für die Waldorfschule in Jerewan? Wir sprachen mit Siranush Kasparova, Eurythmistin und Klassenlehrerin.


Wie hat der Krieg das Schulleben beeinflusst?

Zwei Wochen nachdem wir endlich wieder richtig Schule hatten, nach vier Monaten Corona-Fernunterricht, kam die Nachricht vom Kriegsausbruch. Es war ein Schock. Alle sahen verloren aus. Man versuchte, die Situation zu besprechen. In jeder Klasse gab es mehrere Schüler, deren Vater oder/und Bruder entweder Militärdienst leisteten oder als Freiwillige kämpfen gingen. Eine Woche nach Kriegsbeginn kam die Nachricht, dass unser ehemaliger Schüler Alen Vardanyan, der erst im August 19 Jahre wurde, im Krieg gefallen ist. Das war eine starke Erschütterung für die ganze Schule.

Der Berg Ararat und die Skyline von Jerewan. Foto: Serouj Ourishian, Quelle: Wikimedia.

Neben Trauer, Angst und Unruhe bestand aber auch Einigkeit. Jeder wollte etwas Nützliches tun. Es wurden warme Kleidung, Schlafsäcke, Medikamente, Nahrungsmittel gesammelt und nach Bergkarabach geschickt. Die Flüchtlinge von dort hatten nichts dabei, als sie in den ersten Tagen des Krieges ihre Häuser verlassen mussten. Unsere Schule nahm viele der Flüchtlingskinder auf.

Gleichzeitig stiegen die Zahlen der Coronainfizierten. Aus dem Kampfgebiet wurden jeden Tag Hunderte von verwundeten Soldaten in alle Krankenhäuser Armeniens gebracht. Es gab überhaupt keinen Platz für neue Coronakranke. Die Herbstferien wurden zwei Wochen früher als geplant gemacht und um zwei Wochen verlängert. Doch keiner wollte zu Hause bleiben. Die Schulgemeinschaft und immer mehr Freiwillige fingen an, Schutznetze für Panzer herzustellen. Zu jedem Netz, jedem Nahrungsmittelkarton legten unsere Schüler und Schülerinnen einen kleinen Brief für die Soldaten, damit sie wissen sollten, dass wir ihnen sehr dankbar sind und auf sie warten.

Wie geht ihr in der Schule mit dem Thema um?

Es ist noch unklar, wie unser Land und wir damit umgehen werden. Alle sind noch unter dem riesigen Schock, dass wir den Krieg unerwartet verloren haben. Das Einzige, was mir persönlich hilft, ist meine Arbeit, die Waldorfpädagogik, die Wege zur Verfügung stellt, Fragen richtig zu behandeln.

Siehst du Wege in eine friedliche Zukunft?

Ich sehe die Hoffnung, das Licht, wenn meine Schüler zu mir kommen und fragen, was sie machen können, um etwas zu ändern, um zu helfen, wenn sie sich nützlich machen wollen. Wenn in der Kriegszeit ein Siebtklässler auf die Frage, was er sich wünscht, antwortet, dass der Krieg schnell zu Ende kommt, weil viele Menschen auf beiden Seiten sterben.

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