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Gefäße für die Seele

Sie kommen aus drei Kontinenten und studieren und spielen die Mysteriendramen schon über Jahre. Wir berichten hier über Eindrücke aus der Arbeit der 15 Ensembles, die im Sommer an der Konferenz am Goetheanum teilnehmen werden.


Es ist ein Glück und für mich außerordentlich interessant, dass in so vielen verschiedenen Ländern, Kulturen und Sprachen an den Mysteriendramen gearbeitet wird. Welche bessere Begegnung mit dem Stoff könnte es geben, als den Stoff sprechen und bewegen zu wollen? Es geschieht also nicht nur auf einer kognitiven Ebene, sondern der ganze Mensch ist beteiligt an diesen großen Fragen: «Wie verstehe ich Karma? Wie begegne und fördere ich andere Menschen?» Das ist ja das, was so nahegeht: der anthroposophische Schicksalsbegriff wird hier nicht in den Kategorien von wenn-dann erklärt, sondern durch Lebensvollzüge der spielenden Figuren über mehrere Leben hinweg wird er zur realen Erfahrung. Dabei ist klar, dass es jeder Mensch, ob als Spielender oder als Zuschauender, anders aufnimmt.

Vor einem Jahr habe ich in St. Petersburg Aufführungen der Mysteriendramen gesehen. Obgleich ich kaum Russisch spreche, konnte ich die Figur der Maria so anders und neu begreifen, weil sie sich in dieser Sprache äußerte und bewegte. Jede Sprache ist ein eigenes Gefäß für die Seele, vermag auf eigene Weise besondere Seiten des Geistes zu zeigen. Es war eine ganz andere Maria in Russland als diejenige, die ich vom Goetheanum kenne. Nicht anders war es in Tokio, als sich die Figuren auf Japanisch begegneten. Die Erfahrung dieser Verschiedenheit hat mich begeistert. Wenn nun diese 15 Gruppen am Goetheanum zusammenkommen, geht es um viel mehr als darum, diese Unterschiede und diese Vielfalt zu erleben. Es geht uns darum, eine Zeit, einen Ort zu schaffen, an dem wir teilen können, wie sich das Leben mit den Mysteriendramen abspielt. Zu diesem Leben mit den Mysteriendramen gehört auch, mit eigenen Texten oder weiteren Szenen sich auf den Weg zu machen. Auch davon wird an der Sommertagung etwas zu sehen sein. Es werden also viele Bilder und menschliche Handlung und Dialog zu sehen sein, wodurch das alltägliche Menschsein so gesprengt wird, dass die geistigen Kräfte von Denken, Fühlen und Wollen, von Luzifer und Ahriman sichtbar werden. Unser alltägliches Handeln, Denken und Fühlen vermögen wir dann anders zu ergreifen, wenn wir die dahinterliegenden Kräfte so in dieser Vielfalt künstlerisch erfahren.

Stefan Hasler



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Mysteriendramenkreis Wien

Österreich, Regie: Wolfgang Peter

Dieser Kreis ist seit 2007 eine bunt gemischte Gruppe. Viele der Teilnehmenden standen zuvor noch nie auf einer Bühne und einige lernten die Anthroposophie erst durch diese Arbeit kennen. Seit 2010 hat die Gruppe jedes Jahr eines der vier Dramen auf die Bühne gebracht. Um ein inspiriertes, authentisches Spiel zu fördern, bleibt die Regie sehr zurückhaltend. Vielfach – so beschrieben es die einzelnen Spieler – entstand eine fruchtbare Beziehung zwischen der Rolle und dem eigenen Lebensweg.


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Mysteriendramen-Ensemble Basel

Schweiz, Regie: Dirk Heinrich, Johannes Händler

Das Ensemble besteht seit 2006 aus Schauspielern und Amateuren. 2016 führten sie das dritte, 2018 das vierte Mysteriendrama auf. Angelika Hahn hat dafür farbintensive Bühnenbilder geschaffen. Eine Grundstimmung für das vierte Drama ist in Indigoviolett und wechselt für die ägyptischen Szenen komplementär in Goldockergelb. Dazu kam die farbkräftige Beleuchtung durch Klaus Suppan und für die Geist-Szenen improvisierte Musik durch Christian Ginat und Joachim Scherrer.


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Threefold Mystery Drama Group, Spring Valley

USA, Regie: Barbara Renold

Die Arbeit zu den Mysteriendramen in Spring Valley hat in den 1950er-Jahren angefangen. Ein Zyklus begann 2006 und gipfelte im Mystery Drama Festival 2014, in dem alle vier Dramen aufgeführt wurden. «Wesentlich für uns ist, dass die Stücke auf Erfahrungen hinweisen, die uns im 20. und 21. Jahrhundert begegnen. Wiederholt wurde bemerkt: ‹Während der Mysteriendramen sehe ich mein ganzes Leben auf der Bühne vor mir.»


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Hamila Theater Harduf

Israel, Regie: Mirjam Glass-Arnan

«Mit unserem kleinen Theater im Kibbuz Harduf versuchten wir, durch ein Intensivieren der dramatischen Sprache, das Dramatische der Szenen mit Licht und Klang, Kostümgestaltung, Sprechart und Eurythmie zu gestalten.» Die neu komponierte Musik unterstütze dabei Charaktere und Geschehen. Unter dem Stern der Tagungen und Dramenaufführungen fanden viele die Anthroposophie suchende Menschen aus ganz Israel zusammen. «Die dramatische Intensität der in den Dramen angesprochenen Schicksalsfragen berührt und stärkt Geist, Seele und Leben in diesem existenziell bewegten uralten Kulturraum der Menschheit.»


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Mysteriendramen-Ensemble am Goetheanum

Schweiz, Regie: Christian Peter, Gioia Falk

Das Mysteriendrama-Ensemble am Goetheanum besteht aus ausgebildeten Sprachgestaltern, Schauspielerinnen und Eurythmisten, meist mit langjähriger Bühnenerfahrung. In der Neuinszenierung ist es ein Anliegen, das Bühnenbild so einzubringen, dass es sich je nach Szene mit der Eurythmie verbindet. So wie sich in der Weltenmitternacht das Innere der Protagonisten in deren lebendiger Umgebung zeigt, so wird das sich wandelnde Innere in dem umgebenden Bühnenraum erlebbar.


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Mysteriendramen-Gruppe Sankt Petersburg

Russland, Regie: Veronika Shustova

Nach der Gründung 2012 haben die Mitglieder des Ensembles die Dramen zuerst nur gelesen. «Wir arbeiteten mit Rudolf Steiners Vorträgen, um manche Stellen der Dramen besser zu verstehen.» Durch die Begegnung mit einem Lehrer der Sprachschule Marie Steiner von Sivers in Sankt Petersburg und deren Studenten wagte sich die Gruppe an eine Inszenierung. So kam es letztes Jahr zur Aufführung der siebten Szene des ersten Mysteriendramas auf der Goethe-Konferenz in Sankt Petersburg.


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Future Dawning Working Group

USA, Regie: Laurie Portocarrero

Das Drama ‹Future Dawning› oder ‹Awakening in America – A Spiritual Fantasia on World Themes› von Glen Williamson imaginiert die Figuren von Steiners Mysteriendramen in ihrer nächsten Inkarnation. Es stellt den Kreis der Menschen um Benedictus dar, die sich im 21. Jahrhundert wieder begegnen, und umfasst Szenen vergangener Lebensrückblicke und Erfahrungen in geistigen Welten. Die karmischen Fäden entfalten sich gegen die Kämpfe und Triumphe der früheren Leben der Charaktere, die sich mit Fragen von Gemeinschaft, Selbsterkenntnis, Liebe und Sexualität unter neuen Umständen des Lebens konfrontiert sehen.


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Mystery Drama Group Budapest

Ungarn, Regie: László Varga-Szemes

Die Erfahrung der Schauspieler, die 2014 die zweite Szene von ‹Der Hüter der Schwelle› für die Weihnachtsfeier der Anthroposophischen Gesellschaft in Ungarn spielten, führte dazu, die Mysteriendramen ins Programm des Rudolf-Steiner-Seminars zunehmen. «In diesem Jahr arbeiten wir mit dem dritten Drama und ahnen, dass die Teilnahme an der Mysteriendramen-Konferenz in Dornach ein Erlebnis wird, das unserer Arbeit in Ungarn neuen Schwung geben kann.»

Stroud Mystery Drama Group

Großbritanien, Regie: Richard Ramsbotham

Die 2011 gegründete Stroud Mystery Drama Group besteht hauptsächlich aus Amateuren. Die drei ersten Dramen wurden an verschiedenen Orten in Großbritannien aufgeführt. Zurzeit wird am vierten Drama für diesen Herbst gearbeitet. Es gibt eine Reihe von englischen Übersetzungen, und das Schöne ist, dass jede Übersetzung eine Neuinterpretation des Originaltextes ist. Für diese Produktion wurde eine völlig neue Übersetzung von Richard Ramsbotham gewählt, die so nah wie möglich an der ursprünglichen Version bleibt, aber sich doch in einem harmonischen englischen Stil ausdrückt.


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Gruppo drammi mistero di Roma

Italien, Regie: Maria Lucia Carones

Vor zehn Jahren ergriff eine kleine Gruppe die Initiative, sich monatlich im Rudolf-Steiner-Haus in Rom zu treffen, um die Dramen zu studieren. Mit Bescheidenheit und Mut konnten sie 2016 ‹Die Prüfung der Seele› in Rom aufführen. «In den zehn Jahren des Umgangs mit den Mysteriendramen erlebten wir eine wachsende Konzentration und Ernsthaftigkeit, sowohl persönlich als auch in der Gruppe. Eine ständige Bemühung ist es, immer wieder von Neuem Sinn und Ausrichtung für das zu finden, was wir als dramatisches Spiel auf die Bühne bringen.»


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Dramengruppe Järna

Schweden, Regie: Anders Engquist, Helena Wätte

«Die Arbeit unserer Gruppe, die 2010 gegründet worden ist, wurzelt in der lebendigen Frage nach dem Wesen der Dramen.» Das Einüben und Spielen der vier Dramen geschieht ehrenamtlich und wird durch Spenden und die gemeinsame Liebe zu den Dramen getragen. Die Inszenierungen zeichnen sich durch Einfachheit, Farbschönheit und Innerlichkeit aus.

 

Mysteriendramen-Ensemble Bern

Schweiz, Regie: Friederike Lögters

Die Sprachgestalterin Anna Louise Hiller hat die Mysteriendramen über 40 Jahre mit Laienschauspielern einstudiert und aufgeführt. Vor drei Jahren ging die Leitung auf Dagobert Kanzler und Friederike Lögters über. «Wir versuchen in den Proben, das Gegebene bewusst in uns aufzunehmen, uns davon berühren zu lassen und zu beobachten, wie es schon hier unseres vollen Einsatzes, des schaffenden Geistes bedarf, den Raum zu geben, sich in seiner reichen, geistgetragenen Lebendigkeit zu zeigen.»


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Lemniscate Arts

USA, Regie: Henry Allan, Penelope Snowdon Lait

In den 1980er- und 1990er-Jahren führte das Ensemble Portal Productions die Mysteriendramen in Europa und Nordamerika auf. Daraus ist Lemniscate Arts hervorgegangen: eine Gruppe anthroposophischer Künstler und engagierter Menschen aus der ganzen Welt. Zu den aktuellen Projekten gehören die internationale Eurythmie-Tour ‹Storms of Silence›, ein biografisches Stück, ‹Steiner›, und ‹The Working of the Spirit – The Circle Widens›, ein neues Mysteriendrama, das sich als Fortführung der vier Mysteriendramen von Rudolf Steiner ergeben hat.


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Drempeltheater Niederlande

Niederlande, Regie: Corrie Hendriks

Das Ensemble wurde 1993 gegründet, und fünf Jahre später gab es die erste Aufführung der ‹Pforte der Einweihung›. Seitdem hat die Gruppe jedes Jahr jeweils einige Szenen hinzugenommen. Als Regieleiterin versucht Corrie Hendriks, die Anregungen von Rudolf Steiner im ‹Dramatischen Kurs› von 1924 weiterzuentwickeln, damit die Verbindung des inneren Selbst des Menschen mit der geistigen Welt künstlerisch auf eine neue Art und Weise erfahren werden kann.

Mysteriendramen-Initiative Japan

Japan, Regie: Hiroko Kagawa

2009 begann in Japan eine Gruppe, die Mysteriendramen auf Japanisch zu lesen. Daraus entstand 2013 eine Initiative, die ‹Pforte der Einweihung› in japanischer Sprache darzustellen. 2015 konnte sie auf die Bühne gebracht werden aus einer Zusammenarbeit mehrerer Gruppen: der Gruppe Tokio, der Gruppe Kawasaki, der Gruppe der Steiner-Schule Fujino und einer gemischten Gruppe von Tokio, Ishikawa und Osaka. Die vierte Szene, mit dem Geist der Elemente, gehörte von Anfang an zum Repertoire der Initiative, da sie der Gruppe nach der Katastrophe vom 11. März 2011 besonders nahe war. Diese Szene wird auch am Goetheanum aufgeführt.

 

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