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Aus einer fernen Märchenzeit

Impulse für unser soziales Leben aus der alten Sagenkultur Sloweniens.


Die ursprüngliche, mittelalterliche Sage vom ‹Zlatorog›, das Nationalepos Sloweniens, kreist um den dreihäuptigen Berg Triglav und das Wirtshaus an seinem Fuß, um die tragische Geschichte vom Jäger, der Sennerin Špela und der Wirtstochter Jerica. Wolfgang Wiebecke hatte diese Sage als Kind in ‹Alpensagen› von Max Stebich kennengelernt. Inspiriert durch den steten Umgang mit dem ‹Traumlied vom Olav Åsteson› ist es in ihm zu einem übernational-menschheitlichen, durchgehend dreihebigen Epos gewachsen, das in einem fernen Märchenzeitalter lebt: ‹Das Triglav-Lied›. Die Menschen in dem Epos sind Angehörige eines matriarchalischen Sonnen-Kultus-Zusammenhangs, die sich eng verbunden fühlen mit führenden guten Mächten, den Rojenice, den Feen des Triglav, und daraus selbstlos heilend und helfend in ihren Umkreis hineinwirken. Sie feiern gemeinschaftlich die Sonnwendfeste, die eine herausragende Rolle spielen. Aber sie begegnen auch real Dämonen und ihrer dunklen Kraft, bis hin zu Špelas Zauberspruch: «Böses will Böses!»

Eine erste Veröffentlichung in Broschürenform wurde dem Autor nach zwei Jahrzehnten Schaffenspause 2007 durch eine Aufführung des Dramas ‹Trotzdem ja zum Leben sagen› von Viktor Frankl in Wuppertal wichtig. Hier wurde die Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis wesentlich. Die Umarbeitung zu dem vorliegenden Buch hat ein Pfarrer der Christengemeinschaft impulsiert.

 


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Ausgestattet mit sinnigen vignettenartigen Illustrationen, zum Teil vierteltonalen Zwischenmusiken und märchenhaft zarten Hintergrundbildern ist das Buch ein Gesamtkunstwerk geworden. Dem hat Wiebecke bewusst in der Lizenzierung die Grenze gesetzt und es weder zur Verfilmung noch zur Umgestaltung als E-Book freigegeben. Die Sprache wäre auch für Eurythmie geeignet. Text, Musiknoten und Illustrationen sind mit eigenen digitalen TTF-Schriftarten gestaltet.

Menschen, die den Autor in seiner politisch aktiven Zeit kennengelernt haben, werden überrascht sein, in dem Epos keine eigentlichen politischen Elemente zu finden. Dennoch lebt vieles darin, was er in dieser Zeit menschlich lernen konnte, auch wenn es ausschließlich über die Bilder wirkt: die sprachlichen Bilder, die Illustrationen in Art von Scherenschnitten und die Hintergrundbilder.

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In der Art, wie zum Beispiel der Jäger und Jerica einander loben, lebt jenes, was Max Frisch in seinem Roman ‹Stiller› für Beziehungen anprangert im Sinne des ‹Du sollst dir kein Bild machen›. Und es kann in Špelas verkrallter Verliebtheit dem Jäger gegenüber einiges von Erich Fromms ‹Haben oder Sein› erfühlt werden.

In der Art, wie zum Beispiel der Jäger und Jerica einander loben, lebt jenes, was Max Frisch in seinem Roman ‹Stiller› für Beziehungen anprangert im Sinne des ‹Du sollst dir kein Bild machen›. Und es kann in Špelas verkrallter Verliebtheit dem Jäger gegenüber einiges von Erich Fromms ‹Haben oder Sein› erfühlt werden.

Viele der Dialoge schreien förmlich nach dem, was als Zwiegesprächsideal bei Michael Lukas Möller aufleuchtet in seinem Buch ‹Die Wahrheit beginnt zu zweit› oder auch nach dem dialogischen Ideal Martin Bubers in seinem Buch ‹Ich und Du›.

In dem Tun der Priestermagierin Katra etwa können wir intuitiv-traumhaft vorausahnen, wie Sozialgestaltung heute bewusst gegriffen werden könnte: «Gern gab sie allen, was nottat: | Kräuter, Tränke – und Rat. | Keiner ging leer davon, | der ihrer Kraft vertraute. | Gern nahm sie auch die Geschenke, | die ihr die Gäste brachten. | Sie gab und nahm, wie es kam.»

In der großen abschließenden Vorausschau der Seherin Barba können vielleicht einige der weltbürgerlichen Ideale erahnt werden, mit denen Dag Hammarskjöld gelebt und sein geheimes Tagebuch ‹Zeichen am Weg› geschrieben hat.

Wolfgang Wiebecke hat die genannten überaus malerischen Hintergrundbilder seines Buchs aus zahllosen Fotos von den Wurzelnarben einer alten Buche erarbeitet. Diesem Baum dankt er am Ende des Buches mit zwei Fototafeln und einem Gedicht. Das zeugt von seiner tiefen Ehrfurcht vor dem Leben.

Das Epos versetzt uns beim Lesen in durchlichtete Felsen, blumige Almwiesen, schattigen Wald und feuchtes Tal. ‹Das Triglav-Lied› lädt also gleichermaßen zum Träumen wie zu besonderem Wach-Werden ein und ist für ‹Junge und auch alte Leute› (Olav Åsteson) gleichermaßen zu empfehlen.


Buch Wolfgang Wiebecke, Das Triglav-Lied Hardcover, Verlag Ch. Möllmann, Borchen 2010, ISBN 978-3-89979-279-9

Titelbild: Berg Triglav in Slovenien. Foto (Ausschnitt): Chripell, Flickr

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