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Der Mensch­heitsrepräsentant im digitalen Umfeld

Zur Diskussion um das neue Funknetz 5G.


Ich möchte den Blick auf die Kinder und Jugendlichen lenken, die in diese Zeit hineingeboren sind. Mein Beruf ist Fahrlehrer. Seit über 30 Jahren versuche ich, jungen Menschen das Autofahren beizubringen. Auch in diesem Bereich habe ich den digitalen Wandel erlebt. Letzte Woche sollte ein junger Mann Prüfung fahren. Der Treffpunkt war ausgemacht und bekannt. Und doch fuhr dieser Fahrschüler an einen ganz anderen Ort, 15 Kilometer entfernt. Auf meine Frage, warum er an diesen fremden Ort gefahren sei, sagte er, «er sei halt manchmal verpeilt in solchen Dingen». Im Waldorfkindergarten begleite ich seit acht Jahren wöchentlich die Eurythmistin musikalisch. Von meinem Platz aus kann ich die Kinder bei der Eurythmie beobachten. Hier fällt mir auf, dass in den letzten Jahren verstärkt Kinder nicht mehr in sich hineinfinden, dass sie Schwierigkeiten haben, sich zu inkarnieren. Das äußert sich in einem ‹Flatterhaften›, ‹Überbordenden›, ‹Nicht-fest-stehen-Können›. In beiden Fällen fehlt es an der Raum-Zeit-Orientierung. Im Kindes- und Jugendalter ist es für die gesunde Entwicklung wichtig, dass gewisse Reifungsschritte in Ruhe vor sich gehen können. Werden Reifungsschritte übergangen, kann es passieren, dass im Gehirn, vor allem im präfrontalen Cortex, Notreifungsschritte eingeleitet werden (siehe hierzu den Vortrag von Gertraud Teuchert-Noodt [www.youtu.be/fpA5ET0Y0Lc] beim Pleisweiler Gespräch vom 21.10.2018).

Dies führt dazu, dass man ‹glaubt›, die Kinder seien heutzutage früher entwickelt. Aber es ist ein Schein, welcher aus der Not heraus unvollkommen entstanden ist. Eine gesunde Raum-Zeit-Orientierung beginnt schon in den ersten Stunden nach der Geburt, wenn die Mutter das Kind im Arm hält und sich der erste Blickkontakt einstellt. Was passiert, wenn der Blick der Mutter mehrfach abgelenkt wird durch einen Blick auf das Smartphone? Und weiter im Leben des Kindes kann sich diese Raum-Zeit-Orientierung nur vervollkommnen, wenn es mit allen Sinnen sich in Zeit und Raum bewegt, rennt, springt, auf Bäume klettert, schwimmt, im Matsch spielt, sich blaue Flecken holt, mit anderen Kindern agiert, redet, zuhört, in der Schule das Schreiben, Lesen, Rechnen lernt.

Im 11. Vortrag der ‹Menschenkunde› führt Rudolf Steiner aus, dass der Mensch dreigegliedert ist: in den Kopfmenschen, den Brustmenschen und den Gliedmaßenmenschen. Der Kopf ist beim kleinen Kind schon voll ausgebildet. Im Seelischen träumt der Kopf aber und im Geistigen schläft er. Und gerade dadurch, dass der Kopf im Geistigen schläft, also für den Intellekt nicht zugänglich ist, kann das Kind in die Nachahmung kommen. «Das Kind ist mit seinem Geistig-Seelischen, mit einem schlafenden Geiste, mit seiner träumenden Seele außerhalb des Kopfes. Es ist bei denen, die in seiner Umgebung sind, es lebt mit denen, die in seiner Umgebung sind.» Auch Rudolf Steiner betont immer wieder, dass eine Entwicklungsstufe auf die nächste nur folgen kann, wenn die vorangehende vollständig abgeschlossen ist; dass die nächste Entwicklungsstufe nicht zu früh greifen darf.

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In diesem Sinne reift das Kind zu einer Persönlichkeit heran, die später mit den digitalen Dingen im Leben umgehen kann.

In diesem Sinne reift das Kind zu einer Persönlichkeit heran, die später mit den digitalen Dingen im Leben umgehen kann. Ein Kind, das zu früh an digitale Medien herangeführt wird, kann sich niemals so gut im Raum und in der Zeit entwickeln und bleibt später in der körperlichen und intellektuellen Entwicklung zurück.

Und jetzt zu uns Erwachsenen. Wir müssen ebenfalls eine Reifung und Entwicklung durchmachen. Wir müssen uns auseinandersetzen mit der neuen Kultur des Digitalen. Hier hilft mir das Bild des Menschheitsrepräsentanten! Wenn wir uns die Welt in all ihrer Digitalität anschauen, liegen hier Chancen und Risiken. Es ist an mir, die auf mich zukommenden und einwirkenden digitalen Wesen einzuordnen und ihnen zu begegnen. Das kann ich aber nur, wenn ich mich beschäftigt habe mit diesen Wesen, wenn ich mich an ihnen gerieben habe. In der Haltung des Menschheitsrepräsentanten stehe ich in der Digitalität darinnen. Ich kann die luziferischen, verführerischen Aspekte und die zerstörend wirkenden ahrimanischen Aspekte zu meinen machen. Sie ergreifen aber nicht von mir Besitz; ich bin mir ihrer Gegenwart bewusst und halte sie im Umkreis. Der Blick geht voraus – im Verbunden- und Bewusstsein dieser Wesenheiten, um z. B. meine eigenen Kinder zu gesunden, glücklichen Menschen zu erziehen. In den nächsten Jahren wird ein Vielfaches an Digitalem auf uns zukommen. Wir können uns und unsere Kinder nur stark dafür machen, wenn wir aufmerksam in die Welt schauen, Entwicklungen frühzeitig erkennen und einen liebevoll gesundmachenden Blick auf die Kinder und Jugendlichen haben.

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