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Gewissensbildung

Bildung befähigt für die Zukunft, geschieht jedoch in Institutionen aus dem 19. Jahrhundert. Diesen Widerspruch erleben gerade junge Menschen existenziell. Welche neuen Beziehungen braucht es, um Bildung zu ermöglichen? Gedanken des Drehbuchautors über den im Herbst erscheinenden Spielfilm ‹CaRabA›, welcher eine Vision zu diesen Fragen geben will.


Durch die Schichten der Gesellschaft zieht sich das Gift innerer Korruption, als geheime Verabredung fast all ihrer Mitglieder. Man versammelt sich hinter dem kapitalistischen Mythos, dessen erster Leitsatz zwischen Individuen gilt: Ich will von dir profitieren. Der zweite ist der von Institutionen: Der Zweck heiligt die Mittel. Ob wir Punkte sammeln, unsere Community pflegen oder die wg zur Verfügung stellen, – Win-win-Situationen scheinen der sozialste Impuls. Networking ist Profitieren vom Einfluss Bekannter. Warme Aufnahme findet, wer kühl kalkuliert, wahr und ernst wird genommen, wer das Spiel beherrscht, und die Kommunion empfängt, wer sich in die Schlange einreiht und kommuniziert. Der Influencer ist der Priester der Neuzeit, der den Waren seinen Segen gibt.

Kapitalismus heißt, Lügen in Kauf zu nehmen. Preispolitik ist Diplomatie zwischen Kunde und Markt, und Rabattdenken beherrscht auch Unis. Wir sind Verschwörungspraktiker. Das ökonomische Paradigma taugt zur Beschreibung des Bildungsdiskurses, weil die Strategien sich ähneln, das Denken in Vorteilen auf fast allen Ebenen. Vertrauen in Gestaltungskräfte, die lang- statt kurzfristig wirken, scheint Schwäche. Statt Selbst- gilt Umerziehung, statt Zuspruch Sanktionierung, was etymologisch (sanctio) Heilungsprozesse meint – verzerrte Begriffsbildungen.

Statt um Wahrheit geht es um die Reinwaschung von Verbänden: die fifa, Kirchen, Geheimdienste, der Kulturbetrieb. Die innere Korruption kann so subtil sein, dass der von ihr Betroffene sie nicht bemerkt, selbst wenn er im Nobelpreiskomitee sitzt. Je größer die heilige Sache, desto kleiner plötzlich das Denken und teuflischer das Verschleiern der Details.

Es gibt immer mehr, die dieses System satthaben und die Verabredung des Kapitalismus aufkündigen. Dass dringend Lehrer gesucht werden, Priester und andere ‹Fachkräfte›, ist Symptom dafür, dass die Mittel ausgehen, kein Zweck sie mehr heiligt und die Sehnsucht nach Unmittelbarem wächst – nach Wahrheit auf dem Feld des Faktischen und nach Wahrhaftigkeit im Persönlichen.

Im Bildungsdiskurs der Zukunft tritt Wachheit für den anderen an die Stelle des Kalküls. Hier ruiniere ich äußerlich meinen Ruf und achte nur den im Inneren. Ich erstrebe, das geistige Band zwischen mir und göttlichen Wesen zu stärken. Vokabeln wie ‹Top-Job› werden künftige Generationen schon nicht mehr verstehen.

Wir scheinen auf dem Weg in eine berechnete Gesellschaft. Schüler lernen ihren Status einschätzen und was sie für Abschlüsse und Anerkennungen liefern müssen. Der Spielfilm ‹CaRabA› will hingegen Leben wieder erzählbar machen als das, ‹was dazwischenkommt›. Es geht darum, Dinge um ihrer selbst willen zu tun und dem zu folgen, womit das Ich sich verbunden hat. Hier kommen die Mittel der geistigen Welt ins Spiel. Wer geistig unabhängig handelt und seinen Preis dafür zu zahlen bereit ist – Marginalisierung im System, berufliche Nachteile –, wird versorgt werden. Er weiß um Bildekräfte, die nicht aus institutionellem Rahmen stammen. In ‹CaRabA› begegnen fünf Heranwachsende anderen Menschen, die in diesen Freiheitsraum eintreten und ihn gestalten helfen. Sie sind keine Ungeschickten. Statt Schulzwang gibt es infrastrukturelle Anknüpfungsorte. Der Staat tritt als Ermöglicher auf statt als Überwacher, der wie kürzlich in Bayern Schulschwänzer unter medialem Beifall vor den Sommerferien am Flughafen abfängt. Der Beifall flaut bereits ab, und die Frage, für welche Krankheit solche Maßnahmen eigentlich ein Symptom sind, wird lauter.


Informationen www.caraba.de

Um die Veröffentlichung des Films zu ermöglichen, läuft bis zum 22. Juni 2018 ein Crowdfunding www.startnext.de/caraba

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