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Materialisten, nicht Esoteriker

Rassismus und Esoterik werden in den Medien zunehmend in einen Topf geworfen.(1) Doch was manche rassistische Gruppierungen ‹Esoterik› nennen, hat mit echter Esoterik (von griechisch ‹esoterikos›, nach innen gekehrt) nichts zu tun.


Schon die Nazis kaschierten mit spirituellen Symbolen wie der Swastika (Hakenkreuz) nur, was eigentlich dahinterstand; in Wirklichkeit war ihre Blut- und-Boden-Ideologie streng materialistisch: Der Mensch wird auf seinen materiellen Körper und dessen Vererbungsgesetze reduziert.

Den gleichen Ursprung hat der Sexismus – er reduziert den Menschen auf sein Geschlecht. Vom spirituellen Standpunkt hingegen ist der materielle Körper nur eine äußere Hülle, die wie ein Kleid angezogen und wieder abgelegt wird. Wie nicht zuletzt Tausende von Nahtod­erfahrungen nahelegen, ist demnach der eigentliche Wesenskern des Menschen immaterieller Natur, also vom materiellen Körper letztlich unabhängig – und damit auch von Geschlecht, Rasse und Vererbung. Die Nazis hingegen waren brave Schüler der materialistisch orientierten Naturwissenschaft, die im 19. Jahrhundert ihre ersten Hochblüten trieb; und deswegen auch radikale Gegner echter Esoterik. Ein Beispiel dafür war ihr Kampf gegen die Anthroposophie.

Das nationalsozialistische Reichssicherheitshauptamt (rsha) erstellte 1941 einen Bericht «gegen Geheimlehren und sogenannte Geheimwissenschaften», in dem steht: «Die Anthroposophie steht im Widerspruch zur nationalsozialistischen Rassenlehre. Nach nationalsozialistischer Auffassung beziehen sich die rassischen Vererbungsgesetze nicht nur auf den Leib, sondern auf den ganzen Menschen, auch auf Geist und Seele. Die Anthroposophie erkennt ebenso wie die christliche Kirche im Wesentlichen nur eine leibliche Vererbungslehre an, indem sie behauptet, dass lediglich der Leib des Menschen von den Eltern stammt, Geist und Seele aber aus dem Geisterreich in diesen Leib übersiedeln.» (2) Die eigentliche Gefahr neuer rassistischer und nationalistischer Kräfte geht vom materialistischen Weltbild und bloß reduktionistischer Naturwissenschaft aus, nicht von – echter – Esoterik.


(1) Siehe zum Beispiel: Susanne Roser, ‹Gefährliche Allianz: Grüne Esoterik und braune Philosophie?›, tagesschau24, 2017
(2) Bericht der RSHA, von ca. Oktober 1941, Universitätsbibliothek der Universität der Freien Universität Berlin, 80–40178, Zitiert nach Uwe Werner, ‹Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945)›, S. 427.

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