Karma­bewusstsein

Leser mit Interesse am anthroposophischen Zentralthema ‹Reinkarnation und Karma› finden in diesem Werk etwas erstaunlich Neues.


Die acht Autorinnen und Autoren unternehmen es, wohl erstmalig in den 100 Jahren seit Rudolf Steiner, Reinkarnations- und Karmaverhältnisse mit rational-wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und zu beschreiben. Sie tun dies unter Rückgriff auf abfolgende Erdenleben von Individualitäten, die als bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten der Kulturgeschichte gelebt haben. Dabei nehmen sie nicht die vertrauten Inkarnationsabfolgen aus den Karmavorträgen Rudolf Steiners zur Grundlage, sondern nunmehr neu erforschte Lebensabfolgen. Der Geistesforscher Jose Martinez erforschte selbsttätig die Inkarnationsfolgen von 19 verschiedenen Individualitäten und vertraute sie den sieben Mitautorinnen und -autoren zur wissenschaftlichen Bearbeitung an. Diese bestand darin, für jede Individualität zwei oder drei der Lebensläufe in Bezug auf künstlerische, technisch-wissenschaftliche, religiöse und andere Ausrichtungen in die Vergleichbarkeit zu bringen, womit das Gesamt der untersuchten Individualität beleuchtet und eine Ahnung von der Dramatik und mitunter auch Tragik des Karmas dieser menschlichen Entelechie vermittelt wird.

Kurzerzählungen

Die Autorinnen und Autoren legen aussagekräftige Kurzerzählungen der insgesamt 50 Biografien und eine Vielzahl erstaunlicher und zugleich einleuchtender Koinzidenzen, Ähnlichkeiten und Polaritäten vor, die sich im Vergleich der geografischen, kulturellen, physiologischen, familiären, sozialen wie geistigen Umstände und Eigenheiten jener Persönlichkeiten ergeben haben. Im Laufe der Lektüre wird deutlich, dass auf solchem Gedankenweg in unser sinnen- und raumgebundenes Bewusstsein künftig ein Zeitbewusstsein, ein Karmabewusstsein als ätherisches Element eintreten könnte.

Ahnungshaft ist dies zu erleben, wenn man zum Beispiel durch die Biografie der heiligen Heloïse, der heiligen Teresa von Avila und Richard Wagners geführt wird und gewahr wird, wie in allen drei Biografien ein auffälliges Spannungsfeld zwischen irdischer und himmlischer Liebe auftaucht und gleichzeitig ein Fluchtmotiv. Oder wie sich Scholastisches über zwei Stufen in den Gedanken der unendlichen Melodie Wagners metamorphosiert und Heloïses und Teresas Religion in Wagners ‹Kunst als Religion› wandelt.

Es werden aber auch explizit geisteswissenschaftliche Hinweise gegeben, in denen die Autorinnen und Autoren die sukzessive Weiterentwicklung der seelischen Hüllennatur des Menschen im Blick auf höhere geistige Räume von Biografie zu Biografie aufzeigen.

Wer etwas tun will, um in der eigenen Seele Karmasinn und Karmagefühl zu stärken, ist auf dem Pilgerweg durch dieses Buch gut bedient. Er oder sie wird dabei gehaltvolle Überblicke zu bekannten und weniger bekannten Gestalten unserer Kulturgeschichte erleben und gleichzeitig der rätseltiefen, ätherischen Sphäre der Karmawissenschaft begegnen können.


Jose Martinez (Hrsg.), Karma und Biographie, Vier Himmelsrichtungen, Reichenwalde 2019, ISBN 978-3-9818346-4-2

Titelbild: Nachthimmel. Foto: Timothee Duran/Unsplash

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare