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Hast du die Sorge nie gekannt?

Das fragt die vierte Gestalt, die Faust am Ende seines Weges heimsucht. Es scheint jetzt in den ‹Faust›-Proben so zu sein, als ob der Coronastopp auf viele Verse ein starkes Licht wirft.


So auch hier, wenn Faust im Auftritt der Sorge sich selbst erkennt: «Ich bin nur durch die Welt gerannt; Ein jed’ Gelüst ergriff ich bei den Haaren, Was nicht genügte, ließ ich fahren, Was mir entwischte, ließ ich ziehn.» Im Moment der Stille hört er den früheren Lärm, im Moment der Sorge versteht er die frühere Lust und Geschwindigkeit. Andrea Pfaehler und Eduardo Torres legen die Szene an: «Sprich trockener und doch machtvoller, als würdest du Staub wegblasen», sagen sie zu Dirk Heinrich, der die Sorge spricht. «Weniger Feuer, weniger Blut und jetzt, wenn du fragst, was keine Frage ist, werde groß», zu Rafael Tavares, der die Sorge eurythmisiert. Dann noch einmal: «Hast du die Sorge nie gekannt?» Und dann die Stille, die unendliche Stille, die notwendig ist, um in einem Moment wie ein Tableau das ganze Leben zu sehen, zu durchschauen. «Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt», dichtet Angelus Silesius. Hier ‹stirbt› Faust, um dann, wenn er tatsächlich stirbt, geboren werden zu können.


Foto: Wolfgang Held

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